Gewürzmüller Ingo Holland

Der Meister der Aromen

Ingo Hollands „Altes Gewürzamt“ in Klingenberg ist eine Top-Adresse für alle Köchinnen & Köchen, die auf der Suche nach qualitativ hochwertigen und außergewöhnlichen Gewürzen und Gewürzmischungen sind

Ingo Holland mit Sohn Kilian (Altes Gewürzamt)

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Nein, den Titel „Gewürzpapst“, mag er nicht. „Ich bin kein Freund von inflationären Superlativen“, sagt Ingo Holland. „Ich bin Gewürzmüller, und zwar mit Leidenschaft!“ Der heute 62jährige entdeckte bereits während der Kochausbildung die Liebe zu Gewürzen. Doch mit der Zeit wuchs die Unzufriedenheit: „Der deutsche Markt bremste mich aus. Viel mehr als Curry, Lorbeer, Paprika und normale Vanille gab’s nicht.“ Dann entdeckte er im jüdischen Viertel von Paris fand er ein Delikatessengeschäft, das seinen Traum von sinnlichen Gewürzen erfüllte: das Izrael – Le Monde des Epice mit aromatischsten Gewürze in verschwenderischer Fülle, ein Fest für Augen und Nase. „Vier Tage stöberte ich durch den Laden, kaufte alles ein, was mir gefiel.“ Das Schlüsselerlebnis in Paris vor gut 25 Jahren war der Startschuss für seine zweite Karriere als Gewürzexperte. 2001 folgte die Gründung eines eigenen Gewürzhandels, 2007 die Eröffnung seines Unternehmens Altes Gewürzamt in Klingenberg.

Heute vertreibt Ingo Holland seine hochwertigen Gewürze und Gewürzmischungen nicht nur deutschlandweit, sondern auch in Österreich und der Schweiz. Nachdem die Produktionsstätten und Lagerflächen aus allen Nähten platzten, wurde 2016 unweit des alten Standorts eine komplett neue, 4.500 qm große Manufaktur mit rund 500 qm Lager, Kochschule und  Veranstaltungsräumlichkeit für bis zu 150 Personen gebaut. Die „Genussetage“ lädt zum Kochen, Feiern, Tagen und Genießen ein und ist mit Kochkursen, Theater, Burlesque, Weinfesten und Seminaren bereits gut belegt. Sie soll zum zweiten Standbein des Unternehmens wachsen. Wenn Ingo Holland in einigen Jahren in Ruhestand wechselt, will er Sohn Kilian (31) ein zukunftsfähiges Unternehmen überlassen, das auch ohne seine Person als Markenbotschafter erfolgreich ist.

Ingo Holland hat den Generationswechsel vorbereitet, doch berufsmüde ist er nicht. „Ich bin noch immer neugierig und experimentierfreudig und stecke voller Tatendrang.“ In punkto Qualitätsverständnis nennt er sich selbst einen Dinosaurier – unerschütterlich. „Ich suche immer 100 Prozent Qualität“, berichtet er von den Entscheidungskonflikten während seiner Gewürzeinkäufe. „Doch manchmal ist die 92prozentige Qualität immer noch besser als die andere Ware, die zum Beispiel einen Tick zu viel Restfeuchte hat.“

Nach akribischer Aufbauarbeit kann sich Ingo Holland heute auf ein Netz aus vertrauensvollen Lieferanten stützen. Sie wissen, dass der Gewürzmüller nur analysierte, einwandfreie Ware kauft und diese Ware teilweise noch einmal einer unabhängigen, externen Analyse unterziehen lässt. Weit unter den gesetzlich vorgegebenen Grenzwerten zu bleiben, ist für ihn wichtig. Pestizide und Schwerölrückstände wie Mosh und Moha, die schon im Pfeffer nachgewiesen wurden, bereiten ihm Sorgen, genauso wie die Meldungen über Mikroplastik in Nahrungsmitteln. Die Deklarierungspflichten sind umfangreich und ständig im Wandel. Für einen Kleinanbieter wie ihn, der mit seinen Premium-Gewürzen nur eine 5-Prozent-Nische am Gewürzmarkt bedient, bedeutet das, immer wieder neue Etiketten für vergleichsweise kleine Auflagen produzieren zu müssen.

Altes Gewürzamt: Fast jeder kennt die grünen Dosen mit den feinen Inhalten

Im Sortiment des Alten Gewürzamts finden sich über 150 Gewürze und 150 Gewürzmischungen. „Die Entwicklung einer neuen Mischung dauert zehn Minuten oder ein halbes Jahr“, sagt er. „Ich bin erst zufrieden, wenn es perfekt ist.“ Einmal entwickelte Gewürzmischungen bleiben in der Regel im Sortiment, müssen aber bisweilen modifiziert werden. „Beispielsweise bekomme ich keine Jasminblüten mit guten Analysewerten mehr. Sie sind zu stark mit Pestiziden belastet.“ Praktiken der Rückvermischung – z. B. belasteten Pfeffer solange mit Kurkuma zu vermischen bis die Belastung unterhalb des vorgegebenen Grenzwertes liegt – lehnt Ingo Holland strikt ab. Viel Zeit widmet er auch Lagertests. Wie entwickelt sich das Gewürz mit der Zeit? Was passiert im worst case?

Hochwertige Gewürze haben ihren Preis, der je nach Herkunft stark variieren kann. Klimatische Bedingungen, aber auch unfairer Handel, der die Bauern in den Herkunftsländern unter Druck setzt, sorgen für eine Verknappung an Qualitätsware und damit für Preisanstieg am Markt. Wie Wein schmecken Gewürze nicht beständig gleich, denn nicht jeder Jahrgang liefert gleiche Qualität. „Mal ist das Pfefferkorn etwas kleiner oder etwas trockener – nichts von Bedeutung, aber am Ende hat man ein etwas anderes Geschmackserlebnis.“ Ingo Holland respektiert, dass sich die Natur bewegt. „Sie schenkt uns die schönsten Genüsse.“  Cornelia Liederbach

Ingo Holland über…

… explodierende Gewürzpreise

„Der Kilopreis von Safran beginnt bei 500 Euro und kann bei regionaler Ware 20.000 Euro betragen. Wenn man aber berücksichtigt, dass man mit einem Gramm Safran Coupe aus iranischer Cutware rund 30 Portionen Risotto würzen kann, relativiert sich der auf den ersten Blick hohe Preis. Rasant gestiegen sind auch die Preise für Vanille. Ihr Anbau ist sehr aufwändig, doch zwingen Spekulation, Klima und unfairer Handel immer mehr Bauern zum Aufgeben. Es ist kaum noch Vanille aus Uganda, Tansania, Kongo, Indien und von den Komoren. Gute Vanille ist rar geworden und kostet endlich so viel wie sie wert ist!

… sein Lieblingsgewürz

„Pfeffer ist faszinierend! Es ist toll, wie viele unterschiedliche Gewürze aus einer Pfefferpflanze gewonnen werden: unreifen grünen Pfeffer, der mit seinen ätherischen Aromen punktet, vollreifen schwarzen Pfeffer, weißen Pfeffer oder den echten roten Pfeffer. Einfluss hat auch das Mikroklima. Ein vietnamesischer Pfeffer schmeckt anders als ein brasilianischer Pfeffer. Mit verschiedenen Verarbeitungsprozessen kann man dazu Schärfe bzw. Milde beeinflussen. Der weiße Pfeffer wird hierzulande oft als „stinkig“ geschmäht. Zu Unrecht, denn frisch gemörsert hat er ein tolles Aroma!“

… Gewürzqualitäten

„Die Effizienz ist ein wesentliches Qualitätskriterium bei Gewürzen. Ein gutes Curry ohne Streckungsmittel wie Reismehl oder auch Karottenpulver, das Süße bringt und damit falsche Tiefe suggeriert, mag teurer sein, es ist aber auch wesentlich sparsamer in der Anwendung. Obendrein ist der Geschmack viel intensiver und reiner. Wenn die Zutatenliste auf der Verpackung solche Streckungsmittel bzw. E-Nummern, Silikate oder Rieselhilfe enthält, handelt es sich um minderwertige Ware.“

… Fehler beim Würzen

„Grob gemahlenen Pfeffer offen auf dem Gästetisch oder offene große Wanne mit einem Salz-Pfeffer-Gemisch vor der Kippbratpfanne: Was nutzen die besten Gewürze, wenn sich ihre Aromen verflüchtigt haben? Mein Tipp an die Köche: Mahlen Sie jeden Morgen Ihre Pfefferkörner bedarfsgerecht mit einer kleinen Espressomühle selbst! So brauchen Sie weniger Pfeffer zum Würzen, erzielen mehr Geschmack, und hygienischer ist es auch. Leider wird oft auch zu viel gewürzt. Man muss sich heran wagen in Etappen und Würz-Overkills vermeiden. In der Subtilität liegt das Erfolgsrezept.

… Haltbarkeit & Lagerung

„Licht zerstört die Qualität der Gewürze. Weißblechdosen sind ideal zur Aufbewahrung. Wenn man das Gefäss nach der Gewürzentnahme immer wieder schnell verschließt, nicht mit feuchten Fingern hinein fasst und das Gewürz kühl, aber nicht im Kühlschrank, trocken und möglichst dunkel lagert, hält das Gewürz wesentlich länger als bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum.“

Text & Interview:
Fotos: © Altes Gewürzamt