Kleine Muschelkunde

Im Namen der Muschel!

Kammmuscheln gehören zu den Highlights auf den Speisekarten. Während europäische Jakobsmuscheln oft das Budget sprengen, sind atlantische und argentinische Tiefsee-Scallop erschwinglicher, weil industriell gefischt. Doch es gibt große Qualitätsunterschiede

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Hätten Sie’s gewusst? Nicht jede Kammmuschel ist eine Jakobsmuschel (oder Pilgermuschel), aber jede Jakobsmuschel ist eine Kammmuschel. Es gibt mehrere verwandte Arten von Muscheln aus der Gattung der Kammmuscheln (Pectinidae). Dazu gehören die Mittelmeer-Pilgermuschel (Pecten jacobaeus), die Große Pilgermuschel (Pecten maximus), aber zum Beispiel auch die vor den sehr muschelreichen Küsten Kanadas und Nordamerikas gefangenen Placopecten magellanicus und die vor Argentinien beheimateten Zygochlamys patagonica.

So entstehen Produktverluste

Viele Kammmuscheln werden mit Fangschiffen geerntet und bis zur Verarbeitung an Land oft tagelang auf Süßwassereis gelagert. Oder sie werden in chemischen Lösungen wie Natriumtripolyphosphat oder Zitronensäure eingeweicht, um das Produkt zu konservieren. Die Zusätze erhöhen das Gewicht, sodass der Kunde am Ende mehr für weniger bezahlt. Es entsteht ein minderwertigeres Produkt, denn Wasser oder chemische Lösungen werden später beim Auftauen oder Kochen ausgespült – Produktverluste oder Schrumpfungen sind die Folge.

„Unsere Clearwater-Kammmuscheln sind 100 Prozent natürlich und garantiert frei von Zusatzstoffen. Sie speichern nach dem Fang ihre natürliche Feuchtigkeit und werden an Bord unserer Fangschiffe sofort verarbeitet und einzeln tiefgefroren. Dieses Frozen-at-sea-Verfahren ist ein wichtiger Qualitätsindikator. Dadurch behalten die Muscheln beim Kochen ihre Form, Farbe und ihren Geschmack und braten gleichmäßig goldbraun an“, sagt Stefanie von Reisswitz. Sie ist Senior Sales Managerin D/A/CH, Benelux und Skandinavien bei Clearwater Fine Foods Europe, der europäischen Organisation des kanadischen Seafood-Riesen Clearwater. Das Unternehmen fängt in Kanada sowie in Argentinien und Schottland ausschließlich Kammmuscheln in der freien Natur (Wildfang). In Kanada und Argentinien gewährleisten hochtechnisierte, moderne Fabrikschiffe die schnelle Verarbeitung des Fangs (Schneiden des Muschelfleischs aus der Schale, Seegefrieren). In Schottland sind kleinere Fangboote kürzere Zeit unterwegs und die Scallops werden per Hand in der Fabrik in Mintlaw ausgelöst.

Verarbeitung auf hoher See

In Kanada ist Clearwater der größte Quoteninhaber für Tiefsee-Scallops. Die in den kalten und klaren Gewässern des Nordatlantiks lebenden Kammmuscheln werden rund ums Jahr gefangen, auf dem Fabrikschiff in maximal einer Stunde nach Fang verarbeitet, auf Qualität und mikrobiologische Sicherheit geprüft und IQF-gefroren. Die Clearwater-Fischerei ist vom Marine Stewardship Council (MSC) für nachhaltige Fischerei zertifiziert. Geerntet wird in Tiefen von 50 bis 100 Metern; das Fanggebiet Georges Bank vor Kanadas Ostküste gilt als das weltweit produktivste Gebiet für Kammmuscheln.

Strenge Quotenregelungen

Die kanadische Offshore-Fischerei wird vom Ministerium für Fischerei und Ozeane verwaltet und unterliegt einer strengen Quotenregelung. Unabhängige Institute bestätigen, dass direkt auf See verarbeitete und gefrostete Kammmuscheln den erst an Land verarbeiteten Pendants überlegen sind – hinsichtlich Tropfverlust, Garausbeute, Geschmack, Textur, Aussehen und Haltbarkeit. Clearwater Fangschiffe bleiben 14 bis 16 Tage auf See und fischen tausende Kilogramm Kammmuscheln. Die schwimmenden Fabriken unterliegen denselben Standards und Kontrollen wie Fabriken an Land.

Clearwater Seafoods wurde 1976 von zwei Freunden als Hummerhändler in Nova Scotia gegründet und ist heute eines der größten Meeresfrüchte-Unternehmen in Nordamerika. 2021 wurde Clearwater durch eine Partnerschaft zwischen dem kanadischen Unternehmen Premium Brands und der Mi’kmaq Coalition (sieben Mi’kmaq-Gemeinden in Nova Scotia und Neufundland) übernommen und ist heute zu 50 Prozent in indigenem Besitz. In Schottland ist Clearwater über Partner Macduff in der Fischerei von Jakobsmuscheln aktiv. Zudem hält man über Partner Glaciar Pesquera S.A. in Argentinien 50 Prozent der Quotenlizenzen für Patagonische Tiefsee-Scallops (Zygochlamys patagonica).

Die regulierte Fischerei im Südwestatlantik operiert in Tiefen von 60 bis 120 Metern. Argentinische Scallops sind ebenfalls seegefroren und süßer als die kanadischen. Sie machen sich gut in Soßen und gratiniert, aber auch auf Salat, im Risotto und in Pasta-Gerichten. Auch gut zu wissen: Sie sind viel preisgünstiger als kanadische Scallops.

KLEINE (KAMM)MUSCHELKUNDE

  • Es gibt über 100 Arten von Kammmuscheln, 33 werden kommerziell geerntet.
  • Jede Muschelart bevorzugt eine bestimmte Tiefe, Wassertemperatur und einen bestimmten Salzgehalt.
  • Kammmuscheln benötigen einen steinigen, kiesigen oder auch harten, sandigen Meeresboden.
  • Kammmuscheln ernähren sich, indem sie mikroskopisch kleines Plankton aus dem Wasser filtern.
  • Zur Fortbewegung saugt die Kammmuschel Wasser in ihren Panzer und schließt ihn dann schnell, indem sie den Adduktorenmuskel anspannt. Während das Wasser herausschießt, schwimmt die Muschel per Strahlantrieb.
  • Kammmuscheln vermehren sich durch Laichen: Eier und Sperma werden ins Wasser abgegeben und das Ei wird befruchtet.
  • Kammmuscheln wachsen anfangs schnell und haben mit drei bis fünf Jahren ihr ideales Fanggewicht. Bereits mit zwei Jahren sind sie geschlechtsreif.
  • Die Kalibrierung 10/20 bedeutet z.B., dass es 10 bis 20 Kammmuscheln je Pfund gibt.
  • Die gesamte Muschel ist essbar, aber in in Europa wird normalerweise nur der große weiße Adduktorenmuskel gegessen.
  • Der Rogen (Coral) ist bei den Muschelweibchen rot und bei den Männchen weiß. Für die Verwertung muss jede Kammmuschel einzeln gereinigt und geprüft werden, denn der Rogen kann Giftstoffe ansammeln.

Text: Sabine Romeis
Fotos: Adobe Stock; Clearwater