Paul Wieser
Karriere im Oman
Fast wie im Märchen aus 1001 Nacht: Der deutsche Executive-Chef führt im Shangri-La Maskat ein Team aus 180 Köchinnen und Köchen und kulinarische Regie über 20 gastronomische Outlets
Hier im Resort kennt ihn jeder. Paul Wieser, das ist nicht nur der sympathische, große Mann in Weiß mit der markanten Nase und dem hohen Hut, sondern auch der Koch, der täglich mit dem Fahrrad auf dem weitläufigen Gelände des Shangri-La Maskat unterwegs ist, um in „seinen“ Küchen nach dem Rechten zu sehen. Gleich zwei Resorts mit drei Hotels umfasst seine Verantwortung als Executive Chef. Paul Wieser gewährleistet mit seinem Führungsteam die gastronomische Qualität und Entwicklung von über 20 Outlets im Shangri-La Barr Al Jissah Resort & Spa mit den Hotels Al Bandar und Al Waha sowie im Shangri-La Al Husn Resort & Spa.
Jüngstes Projekt: die Eröffnung eines südostasiatischen Casual Dining-Konzepts im Al Bandar-Komplex. Bereits im Jahr 2007 war der gebürtige Deutsche aus dem niederbayerischen Rotthalmünster als Sous Chef im Shangri-La Al Husn Resort & Spa tätig, bevor er 2009 Küchenchef im Shangri-La Surabaya in Indonesien wurde. Der heute 54-Jährige blickt auf über 25 Jahre Erfahrung in der Gastronomie und Hotellerie in Europa, in Asien und im Nahen Osten zurück. Zu seinen Stationen zählen namhafte Hotelmarken wie zum Beispiel Sofitel oder das ehemalige Kreuzfahrtschiff Queen Elizabeth II. Ehemalige Arbeits- plätze in Deutschland waren unter anderem der Bayerische Hof in München sowie das Hotel-Restaurant Schachener Hof in Lindau und das Restaurant Krausler in Niederaichbach. Die letzte Station vor seinem zweiten Stopp in Maskat war schließlich das Melia Yangon Hotel in Myanmar.
Herr Wieser, Sie haben relaltiv spät, mit Anfang Vierzig, den beruflichen Schritt ins Ausland gemacht. Warum erst in einem Alter, wo andere Kollegen längst schon wieder zurück in Deutschland sind oder sich im Ausland etabliert haben?
Wieser: Das stimmt, ich hatte schon eine ganze Reihe von Stationen in Deutschland hinter mir, als ich mit Shangri-La das erste Mal in den Oman ging. Einer der Gründe, Deutschland den Rücken zu kehren, lag darin, dass in vielen Küchen nicht mehr richtig gekocht wird, die Mitarbeiter fehlen und immer mehr Convenience- Produkte verarbeitet werden. Die Faszination des Kochberufs, mit Leidenschaft am Herd zu stehen und gemeinsam mit dem Team etwas zu erreichen, geht mehr und mehr verloren. Mein Credo: Wo ich bin, muss noch gekocht werden.
Wie lange dauerte Ihre erste Station im Oman?
Wieser: Zweieinhalb Jahre. Danach ging es weiter ins Shangri-La Surabaya, nicht weit weg von Bali. Das ist keine Stadt zum Urlaubmachen, aber mit viel Business. Von dort holte mich Melià nach Vietnam, dann kam ein Angebot von Sofitel für Abu Dhabi, und von dort hat mich Melià wieder für ein neues, großes Hotel mit 430 Zimmern in Myanmar abgeworben. Ich hatte eine großartige Zeit mit einem wunderbaren Team, mit dem ich viel erreicht habe. Dort ereilte mich der Ruf von Shangri-La, wieder in dieses wunderschöne Resort hier zurückzukehren. Eigentlich sind es ja zwei Resorts und drei Hotels. Ich war ja 2007 schon mal hier und da allerdings nur für das Al Husn Resort & Spa zuständig. Wenn ich die Anlage nicht schon gekannt hätte mit all ihren Restaurants & Outlets, hätte ich gesagt: „Das ist eine Nummer zu groß für mich!“
In welchen Dimensionen bewegen Sie sich hier genau?
Wieser: Ich verantworte den kulinarischen Kurs in zwei Resorts, drei Hotels, 22 Outlets und führe 180 Köchinnen und Köche in einer ganzen Anzahl von Küchen. Und es kommen weitere hinzu. Unser jüngstes Projekt ist das asiatische Streetfood-Restaurant mit 120 Sitzplätzen im Al Bandar Komplex.
Wie setzt sich Ihr Führungsteam zusammen?
Wieser: Einer meiner Stellvertreter ist auch Deutscher, ein anderer Italiener. Das war‘s auch schon an Europäern. Etwa 20 Prozent der Mitarbeiter/ Innen sind Omanis, dazu kommen Inder, Sri Lanker, Jordanier, Thailänder, Malayen, Vietnamesen, Philippiner, Indonesier. In der Küche haben wir Menschen aus elf Nationen, also viele unterschiedliche Charaktere und Kulturen. In allen drei Hotels arbeiten bis zu 48 Nationalitäten.
Wie bringen Sie alle Nationalitäten und ihre Befindlichkeiten unter einen Hut?
Wieser: Für mich steht deshalb ganz klar die Mannschaft im Mittelpunkt. Das Wichtigste bei der Führung einer so großen Brigade wie hier ist, dass sich alle verstehen und gut zusammenarbeiten wollen. Die Chemie muss stimmen. Das erfordert viele Gespräche und tägliche Meetings, in denen Probleme fachlicher Art, aber auch zwischenmenschlicher Natur geklärt werden. Ich führe mein Team wie eine große Familie. Wenn alle im Team die Regeln akzeptieren, sich verstehen und das Team gut funktioniert, sind das die Weltmeister von morgen. Teamgeist ist unentbehrlich. Wenn jeder ein Star sein will, funktioniert es leider nicht.
Wie gehen Sie mit Problemen und Unstimmigkeiten um?
Wieser: Wir haben Mitarbeiter mit ganz unterschiedlicher Motivation und individuellen Fähigkeiten im Team, deren Arbeitsmoral nicht unbedingt mit der aller anderen vergleichbar ist. Darum achten wir bei der Aufgabenverteilung darauf, dass jede/r nach seinen/ ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten eingesetzt wird. Wir verlangen von keinem etwas, was er oder sie nicht kann. Natürlich trainieren wir unsere Küchenmitarbeiter, aber nicht nach deutschen Richtlinien, sondern eher spielerisch. Wenn das Training Spaß macht, lockt das viele aus der Reserve. Manche sprechen nur gebrochen Englisch, und die Kommunikation klappt nicht so gut. Man muss ihnen zu verstehen geben, wie die Regeln sind, was richtig und was falsch ist und welches Ziel hinter einer Anweisung steht.
Gibt es weitere Tricks für erfolgreiche Führung?
Wieser: Respekt und Ehrlichkeit gehen über alles, das erwarte ich von allen Klchinnen und Köchen. Außerdem wichtig ist, dass der Küchenchef selbst mit Hand anlegt und nicht nur der Küchenguru ist. Er muss ein Vorbild sein, an dem sich seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientieren können. Er muss auch jedem aufzeigen, wo er steht. Viele Köche sind schlechte Teamplayer, und die besten Köche sind sowieso ziemlich verrückt und individuell. Mit den Interessen eines Konzerns wie Shangri-La ist das nicht immer einfach zu vereinbaren.
Nach all Ihren Stationen in Asien und Middle East – ziehen Sie das Arbeiten im Oman anderen Ländern vor?
Wieser: Die Kultur und Atmosphäre hier ist schon einzigartig. Wenn man in die Berge fährt oder am Strand entlang geht, spürt man die Ursprünglichkeit des Landes. Ich schwimme gerne und spiele Golf. Es gibt hier wunderschöne Plätze. In der Natur kann ich sehr gut abschalten. Man kann den Oman nicht mit den Emiraten, speziell nicht mit dem schillernden Dubai, vergleichen. Alles ist hier ein wenig langsamer und gemütlicher. Der Tourismus im Oman wächst langsamer und vernünftiger.
Wie lukrativ ist es, hier zu arbeiten?
Wieser: Man verdient viel besser als in Deutschland, und es bleibt mehr übrig. Auch der deutsche Stress ist nicht da. Ich habe die Erfahrung gemacht: Je weiter man von Deutschland weggeht, umso geringer ist er. Natürlich trage ich hier eine große Verantwortung und habe lange Arbeitstage. Doch schauen Sie sich um: Es ist einfach ein Genuss, hier zu arbeiten.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Wieser: Zunächst habe ich hier noch viel vor. Mein letztes Ziel für mein berufliches Leben ist ein eigenes Restaurant mit Partnern in Asien. Ich bin zum zweiten Mal mit einer philippinischen Frau verheiratet und liebe die asiatische Kultur. Mein Plan ist, acht Monate in Manila und vier Monate zu Hause in Niederbayern zu verbringen.
Interview: Sabine Romeis
Fotos: © Shangri-La; Sabine Romeis