Titti Qvarnström
Schwedens beste Köchin
Als erste und bisher einzige Sterneköchin Schwedens ist Titti Qvarnström weltweit gefragt. Eigentlich wollte sie Ingenieurin werden. Durch einen Sommerjob in der Großküche entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Kochen
„Ich wäre wahrscheinlich auch eine sehr gute Ingenieurin geworden“, sagt Titti Qvarnström, „doch statt mit Formeln die Tragfähigkeit von Balken für später nie gebaute Häuser zu berechnen, kann ich in der Küche etwas Kreatives und Konkretes tun, was sofort einen Sinn ergibt.“ Da es in Schweden nur eine schulische und weitgehend theoretische Kochausbildung gibt, entschloss sie sich für einen Wechsel nach Dänemark. Seit dem Bau der Öresund-Brücke über die Ostsee sind Malmö und Kopenhagen nur noch 40 Kilometer von einander entfernt. „Ich bin in den Zug nach Kopenhagen gestiegen, habe mir die Restaurants im Zentrum angeschaut und nach Arbeit gefragt“, erzählt Titti Qvarnström. Dass es sich bei dem Betrieb, der ihr am besten gefiel und bei dem sie sich bewarb, um ein Sterne-Restaurant handelte, erfuhr sie erst bei Ausbildungsstart.
Nach ihrer Ausbildung und einigen kürzeren Stationen wechselte sie nach Deutschland. „Mein späteres Ziel war eigentlich Frankreich“, sagt Titti Qvarnström. „Da ich aber in der Schule etwas Deutsch gelernt hatte, entschied ich mich erst einmal für Berlin, um von dort aus den Sprung nach Paris zu wagen.“ Sie war überrascht, wie lebendig, mutig und innovativ die Berliner Köche- und Restaurantszene ist. Anfangs arbeitete sie im legendären Restaurant Paris-Moskau von Wolfram Ritschl, dann bei Marco Müller im 2-Sterne-Restaurant Rutz. Dort lernte sie ihren heutigen Mann André kennen, ein Koch und echter Berliner.
Die Zeit bei Marco Müller bezeichnet Titti Qvarnström als prägend für ihre Karriere, nicht nur für ihren Kochstil. „Sein Führungsstil hat mich tief beeindruckt und beeinflusst. Während ich vorher mit sehr diktatorischen Küchenchefs zusammengearbeitet habe, war Marco eine Wohltat, denn er gewährt seinen Mitarbeitern die Freiheit, individuelle Stärken zu entdecken, sich zu entfalten und die eigene Kreativität einzubringen.“ Statt Mitarbeiter quasi zu Robotern zu erziehen, die nach den Vorstellungen des Chefs kochen, nutzt Marco Müller die Synergien im Team, um seine Küche weiter zu bringen das bestmögliche Ergebnis auf den Teller zu bringen. „Roboter tun nur das, was man ihnen befiehlt“, sagt Titti Qvarnström, „wenn nichts Eigenes entsteht, gibt es für eine Küche auch keine Möglichkeit, ein höheres Niveau zu erreichen.“
Zurück in Schweden eröffente Titti Qvarnström 2010 gemeinsam mit einem Geschäftspartner das Restaurant Bloom in the Park in Malmö, das 2015 mit einem Michelin-Stern – dem ersten für eine Köchin in Schweden – ausgezeichnet wurde. Noch im gleichen Jahr wurde das Restaurant zum Besten des Landes ernannt. Es folgten die Auszeichung „Köchin des Jahres“, TV-Auftritte in Shows wie „Chefs“ oder „Battle of Chefs“ sowie das Buchprojekt „Malmö cooking“.
In ihrem Konzept setzte Titti Qvarnström konsequent auf regionalen und saisonalen Einkauf. Sie ist in Schonen in Südschweden aufgewachsen und fühlt sich daher den Landwirten, Erzeugern, Fischern und Jägern in ihrer Heimat eng verbunden. „Ich kenne alle meine Lieferanten, weiß, wie die Tiere aufwachsen und wie das Gemüse angebaut wird“, sagt Titti Qvarsnström, „schlussendlich geht es aber auch um Arbeitsplätze in der Region.“ Anfangs ist der Kontaktaufbau zu den Produzenten natürlich eine Investition, doch inzwischen hält sich der Aufwand für den Einkauf in Grenzen.“
Vor zwei Jahren beendete sie ihr Engagement im Bloom in the Park, weil sie sich mit ihrem Geschäftspartner nicht über die zukünftige Ausrichtung des Restaurants einigen konnte. Sie wollte das Konzept in Richtung eines Zero-Waste verändern, noch produktorientierter arbeiten und – was ihr bis heute sehr am Herzen liegt – talentierte junge Köchinnen und Köche fördern. Einen Teil dieser Ziele kann sie inzwischen in ihrem neuen Restaurant Mat verwirklichen, das zum Kongress- und Veranstaltungszentrum Folk Mat & Möten in Malmö gehört. „Das Mat ist ein modernes Lunch-Restaurant, das nur wochentags während der Mittagszeit geöffnet ist“, sagt TQ. „Es ist ein Geheimtipp, wird aber nie einen Stern bekommen.“ Mehrmals im Monat gibt es abends einen Chef’s table, bei dem sie für maximal 14 Gäste auf Sterneniveau kocht. „Die gehobene Küche ist also nach wie vor Teil meines Lebens.“ Mit dabei ist dann auch ihr Mann André, der momentan im Restaurant Kokeriet des bekannten Chefs Tareq Taylor arbeitet, allerdings nicht am Herd, sondern im Service. „Er hat mit Erfolg die Seiten gewechselt, was ihm unheimlich viel Freude bereitet.“
Vor sieben Monaten sind Titti und André Qvarnström Eltern eines Jungen geworden. Das Restaurant Mat mit seinen familienfreundlichen Öffnungszeiten ist daher für diese Lebensphase ideal. Ihren Traum vom eigenen Restaurant haben die beiden aber nicht aufgegeben, sondern nur aufgeschoben. „Wir können Kind und Beruf sehr gut miteinander verbinden“, sagt Titti Qvarnström, „wenn man es will, dann funktioniert es auch.“
Text: Jörg Michael Ehrlich
Fotos: © Titti Qvarnström/Restaurang MAT