Private Label Coffee
Persönlichkeit in der Tasse
Bei ihrem Menü setzen Küchenchefs auf ausgesuchte Produkte und individuelle Rezepte. Doch der Kaffee zum Schluss ist oft ein Convenience-Produkt, der Marke xy, das es so oder ähnlich auch nebenan gibt. Dabei geht es auch anders
Heiko Antoniewicz hat ihn, so mancher qualitätsbewusste Hotelier sowieso und der erfolgsverwöhnte Systemgastronom erst Recht: den eigenen Kaffee. Ein Private Label Coffee, der die persönliche Geschmacks- und Aromenwelt perfekt ergänzt, ist letztendlich eine Rebellion gegen die Uniformität im Kaffeemarkt. „Ich habe meine bevorzugten Aromenwelten einfach nicht mehr in den Kaffees der bekannten Marken wiedergefunden“, sagt Koch und Trendsetter Heiko Antoniewicz. „Darum habe ich meinen eigenen Kaffee entwickelt.“ Seinen Pionier Kaffee und Espresso aus traditioneller Trommelröstung gibt es als ganze Bohne für Vollautomat und Siebträger, oder – nach dem Mahlen – zum Filtern. Der Pionier ist ein Unikat und Premiumprodukt, das nach der fachgerechten Zubereitung die Individualität und Geschmackswelten von Heiko Antoniewicz und seiner Küche in der Tasse widerspiegelt. Sein Einkaufspreis inklusive Verpackung und Labeling: unter 20 Euro je Kilogramm.
Unter 20 Euro fürs Kilo Premiumkaffee?
Mancher Gastronom wird jetzt irritiert aufhorchen: unter 20 Euro fürs Kilo Premiumkaffee? Auch Sebastian G. (Name von der Redaktion geändert), Inhaber und Küchenchef eines beliebten Restaurants mit guter regionaler Küche in Hessen, kommt ins Grübeln: Bei seinem Kaffeepartner, ein bekannter Großröster, zahlt er fast das Doppelte für sein Kilo Kaffee in mittlerer Qualität und hat sich für fünf Jahre auf fixe Abnahmemengen und Preise festgelegt. Wucher? Nein! Dafür bekommt er als Kunde des Großrösters ja nicht nur zuverlässig die Kaffeebohnen in konstanter Qualität geliefert, sondern ein Rundum-Sorglos-Paket für sein Kaffeegeschäft dazu. Über den (relativ hohen) Bohnenpreis kompensiert der Röster seinerseits die Finanzierung der durch Kooperation mit verschiedenen Maschinenherstellern „kostenlos“ zur Verfügung gestellten Kaffeemaschine samt Tassenauswahl und Accessoires sowie 24/7-Service-Versprechen. Der Röster übernahm auch die Einweisung des Teams von Sebastian S. in die Kaffeemaschine und Kaffeezubereitung, er schickt regelmäßig einen Techniker zur Maschinenwartung sowie Überprüfung der Kaffeeparameter und Geschmackseinstellungen am Gerät. Nicht zuletzt ist ein Techniker binnen vier Stunden zur Stelle, wenn die Kaffeemaschine mal streikt.
„Das ist der klassischste aller Wege zum erfolgreichen Kaffeegeschäft“, sagt Sarah Schweizer, Kaffeeexpertin & Barista aus Ahrensburg bei Hamburg. Sie leitet die Sparte „Kaffee Kontext“ der brandneuen Katch GmbH, die sich mit verschiedenen kulinarischen Themen beschäftigt. „Der Gastronom muss sich bei diesem Modell keine großen Gedanken um sein Kaffeegeschäft machen. Er profitiert vom Know-how des Rösters bzw. der Maschinenpartner und von exakter Kalkulierbarkeit hinsichtlich Aufwand und Investition, außerdem vom weitgehend konstanten Geschmacksprofil seiner Kaffeemischung. Am Ende hat er jedoch ein „Convenience-Produkt“ in der Tasse, das von guter Qualität und geschmacklich ausgereift sein kann, das es aber so oder ähnlich auch beim Kollegen nebenan gibt.
Wenig Spielraum durch standardisierte Konzepte
Für den Gastronomen bieten die standardisierten Konzepte großer Kaffeeröster wegen der eher uniformen („massentauglichen“) Komposition der jeweiligen Bohnenmischung und die Steuerung der wesentlichen Zubereitungsparameter in der Maschine meist wenig Spielraum. Das macht es für ihn schwer, sich durch ein außergewöhnliches Geschmacksprofil in der Tasse oder die Geschichte des angebotenen Kaffees im Markt abzuheben. Sarah Schweizer ermutigt Küchenchefs und Gastronomen, ihrer Kaffeequalität mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Zusammenarbeit mit einem Großröster sei nicht mehr die einzige Möglichkeit, um an Kaffee, eine Kaffeemaschine und Know-how zu kommen. Seit dem Jahrtausendwechsel sei mit der „Dritten Kaffeewelle“ ein wahrer Hype um Kaffee entstanden, durch den die Spielregeln des guten Kaffeegenusses, die Erwartungen der Gäste und damit das gesamte Kaffeegeschäft der Gastronomie neu aufgestellt wurden.
Fokus auf Qualität und Transparenz statt Markenpflege
Das Segment Spezialitätenkaffee im deutschen Out-of-Home-Markt hat unter zehn Prozent Marktanteil und bietet damit in Zukunft noch ein enormes Differenzierungspotenzial vom breiten Spektrum des Markenkaffees. Die Auseinandersetzung mit Kaffeequalitäten lohnt sich nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. Expertin Sarah Schweizer: „Schließlich macht – gemessen an der Marge – kaum ein anderes Produkt so viel Spaß wie Kaffee und bietet so viel Spielraum zur Gestaltung des Geschäfts.“ Die hochwertigeren Kaffeequalitäten schreibt die Barista eher kleineren Röstern zu, die sich überwiegend dem Einkauf höchster Qualitätsstufen bis hin zu exklusiven Terroirkaffees und der handwerklichen Trommelröstung von kleineren Mengen verschrieben haben. Sie legen obendrein mehr Wert auf Transparenz über die Herkunft der Bohnen und die Erzeuger im Anbauland statt auf Marke.
Was viele nicht wissen: Der Röster hat in der gesamten Veredelungskette einer Kaffeebohne den größten Einfluss darauf, wie das Ergebis in der Tasse schmeckt. Zwar bringt jede Kaffeebohne je nach Sorte, Ursprung, Reinheit und Aufbereitung ihr eigenes Aromenpotenzial mit, es ist aber der Röster, der im Spiel mit Röstzeit und -temperatur die Aromen der Kaffeebohne von zitrusartig über schokoladig bis kräutrig zur Entfaltung bringt. Sarah Schweizer hat ein Faible für Produzenten und Röster von Specialty Coffee, die wie beispielsweise Quijote Direktimport und Rösterei in Hamburg das Geschäftsmodell „Direkter Handel“ pflegen. Das Unternehmen kommuniziert sein Geschäftsmodell völlig transparent und stellt alle Informationen über Kaffeemischungen, Röstkurven, Herkunft, Einkaufspreise und Lieferanten auf seine Website – ohne Angst, kopiert zu werden: „Wir machen, was wir toll finden, und freuen uns über jeden, der uns kopiert. Das kann die Kaffeewelt nur besser machen.“
Mit Co-Branding zur eigenen Kaffeemarke
Viele der kleineren Spezialitäten-Röstereien bieten Private Label-Kunden auf Basis ihrer bestehenden Kaffees und Kaffeemischungen eine hervorragende Beratung und Möglichkeiten des Co-Brandings an – ein ganz einfacher Weg zur eigenen Kaffeemarke. „Eine Maschinenfinanzierung inklusive Wartung und Betreuung kann man auch direkt beim Hersteller bekommen“, sagt Sarah Schweizer, „und wenn die Nachfrage und die Umsätze mit Kaffee steigen, muss man nicht proportional über Jahre hohe Kilopreise bezahlen, sondern kauft seinen Kaffee zu dem Preis, den er aufgrund der Qualität und eines fairen Handels wirklich wert ist.“ Dieser Effekt zeigt sich vor allem im Vergleich zu Komplettverträgen, die bei Übererfüllung der Abnahmemengen keine Rückvergütung an den Kunden vorsehen, sondern den Kilopreis für die gesamte Laufzeit festschreiben. Und die Schulung der Mitarbeiter? „Mit den Einsparungen durch den geringeren Kaffeepreis kann man sein Team selbst weiterbilden und sich das Know-how langfristig ins Unternehmen holen“, sagt die Barista.
Wer das Thema Individualität noch weiter vorantreiben will, kann wie Heiko Antoniewicz den ganzen Weg in Richtung Private Label Coffee gehen und sich eine Marke und Produkte „from Scratch“ entwickeln lassen. Im Internet erhält man bei Eingabe des Suchbegriffs eine ganze Reihe von Treffern. Beispiel: Private Coffee Label mit Sitz in Fürth. Der Familienbetrieb entwickelt für seine Partner exklusiven Röstkaffee unter kundeneigenen Marken – vom Konsumprodukt bis hin zur exklusiven Premium-Kaffeemarke“. Die eigene In-House Agentur gestaltet auf Wunsch den perfekten Auftritt, sprich die Verpackungen, aber zum Beispiel auch Kaffeekarten, To-go-Becher und vieles mehr.
Text: Sabine Romeis
Fotos: © Adobe Stock
„Transparenz und tolle Margen“
Barista Sarah Schweizer über die Vorteile einer eigenen Kaffeemarke, mögliche Wege zum Private Label und die wichtige Rolle des Rösters
Private Label Coffee ist derzeit ein spannender Trend im Kaffeemarkt. Aber für wen lohnt sich eine eigene Kaffeemarke?
Schweizer: Das ist ein tolles Thema für Gastronomen & Küchenchefs, die auf der Suche nach dem Besonderen sind, sich vom Wettbewerb differenzieren wollen und ihre eigene Geschmacksphilosophie von A bis Z durchziehen möchten. Voraussetzung für ein solches Projekt ist, dass man bereit ist, sich aktiv mit Geschmack, dem geplanten Angebot in seinem Konzept und den technischen Anforderungen in der Kaffeezubereitung auseinanderzusetzen.
Und für wen lohnt sich der Aufwand nicht?
Schweizer: Wer ohnehin schon viel zu viel um die Ohren hat, oder wenn Kaffee im Betrieb nur eine Nebenrolle spielt, empfiehlt sich eher die Zusammenarbeit mit einem Großröster. Auch die Big Player bieten vermehrt Marken an, die ein gutes Geschmacksprofil mitbringen, Ursprung und Nachhaltigkeit als USP haben und Stoff fürs Storytelling liefern.
Welche Perspektiven eröffnet die eigene Kaffeemarke dem Gastronomen?
Schweizer: Sie ist ein Alleinstellungsmerkmal, bietet ihm tolle Margen und schafft optimale Transparenz in Sachen Qualität. Wer selbst recherchiert, probiert und entschieden hat, welche Bohnen in seine Maschine
kommen, wer weiß, wo und wie sie angebaut wurden und wer sie wie geröstet hat, steht voll hinter seinem Produkt. Er hat spannende Geschichten für seine Gäste, die zur Kundenbindung beitragen. Nicht zuletzt ist der eigene Kaffee ein sehr geeigneter Artikel zum Wiederverkauf, gerade in der aktuellen Situation.
Wie realisiert man seine eigene Kaffeemarke, wie und wo fängt man an?
Schweizer: Für eine Annäherung ans Thema sind Kaffeeschulen und -institute ideal, die u.a. regelmäßig Cup-Tastings anbieten. Dabei kann man sich durch die Welt des Spezialitätenkaffees schlürfen und bekommt einen guten Überblick über Qualitäten, Geschmacksprofile und die eigenen Geschmacksvorlieben. Auch unabhängige Kaffeeberater, Barista und lokale handwerkliche Röster bieten solche Einführungen an und stehen mit Rat und Tat zur Seite.
Was wäre der nächste Schritt?
Schweizer: Sobald es in die Produktentwicklung geht, empfiehlt sich entweder die Zusammenarbeit mit einer vermittelnden Private Label-Agentur oder die direkte Zusammenarbeit mit einem kleinen Röster. Er hat Expertise und Erfahrung, kann detailliert beraten, kauft die Rohware selber ein, entwickelt individuelle Kaffeemischungen und holt mit seinem Wissen und Können das Optimale aus jeder Bohne raus. Im besten Fall geht er bis ins Detail auf die individuellen Anforderungen hinsichtlich Geschmacksprofil, Zubereitung, Verpackung, Deklaration und Labeling ein.
Wie muss der eigene Kaffee sein – zählt allein der eigene Geschmack oder auch Gästevorlieben?
Schweizer: Vor Auswahl einer bestimmten Bohne oder Kaffeemischung muss das eigene Portfolio genau analysiert werden und die Kaffeeauswahl durch den Profi perfekt darauf abgestimmt werden. Der eigene Geschmack ist sicher der wichtigste Anhaltspunkt bei der Auswahl, denn er prägt ja auch die eigene Küche. Ein Koch oder Gastronom kennt die Geschmacksvorlieben seiner Gäste und kann dieses Wissen auf Kaffee übertragen. Nur ein Beispiel: Wenn die Gäste experimentierfreudig und neugierig sind und der Küchenstil innovativ ist, darf auch der Kaffee komplex und außergewöhnlich in den Geschmacksprofilen sein, z.B. ein Terroir-Kaffee. Dann sind sogar kaffeebasierte Cocktails vorstellbar, die wie guter Wein die Gerichte abrunden.
Interview: Sabine Romeis
„Eine Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich aktiv mit Geschmack zu beschäftigen.“
Sarah Schweizer, Barista und Trainerin