Archaischer Kochtrend

Asche auf meinen Teller!

Am Anfang war der Lauch: Er war eines der ersten Lebensmittel, den innovative Köche*innen verkohlten bzw. in Asche verwandelten und damit würzten. Heiko Antoniewicz und Adrien Hurnungee erheben das Thema nun in ungeahnte Sphären der Kreativität

Asche auf meinem Teller

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Am Anfang war der Lauch: Er war eines der ersten Lebensmittel, den innovative Köche*innen verkohlten bzw. in Asche verwandelten und damit würzten. Heiko Antoniewicz und Adrien Hurnungee erheben das Thema nun in ungeahnte Sphären der Kreativität

„Mein Interesse für Asche begann mit Lachs in Sack und Asche“, erzählt Heiko Antoniewicz. „Bei dieser Art der Reifung in Buchenasche kommt das Fischfilet mit einem Bruchteil an Salz aus, verglichen mit der klassischen Konservierung durch Trockenbeizen. In Asche reift der Fisch an einem kühlen Ort. Die basischen Eigenschaften der Asche bilden eine Barriere gegen schädliche Mikroorganismen und geben dem Fisch ein zartes Raucharoma.“

Asche, Glut & Feuer: Schweinebauch, Pomelo-Asche, Blumenkohl

Der bekannte Koch, Trainer und Buchautor, der gerade mit Adrien Hurnungee und Thomas Ruhl das Buch „Asche, Glut & Feuer“ veröffentlicht hat, verrät noch mehr Tipps: „Ein Asche-Aged Beef kann ich Sous-vide garen und es mit der Blowtorch oder in der Pfanne rösten, da verbinden sich der typische Geschmack von Fleisch, die perfekte Garstufe und das Aroma von  Holzkohle – ohne dass das Fleisch einen Grill gesehen hat. Hier erzeugen die durch die Asche abgegebenen Raucharomen ein interessantes, weiches und elegantes Raucharoma ganz ohne die beim Grillen oder Räuchern mitschwingenden bitteren und verbrannten Noten.“ Ein weiterer Vorteil: Asche ist nachhaltig. „Wenn wir aus einem Lebensmittel Asche herstellen, nehmen wir die Abschnitte, die Schalen, die Blätter her. Teile, die sonst im Müll oder Kompost landen, bekommen so ein zweites kulinarisches Leben.“

Asche spielt seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Lebensmitteln, trotzdem hat sie es bislang kaum als Zutat auf den Teller geschafft. Lauch gelang es als Erstes, die Grenze zu überwinden. Beeinflusst von der neuen nordischen Küche wurde dieses Gemüse außen schwarz verkohlt und innen grün, weich und samtig gekocht oder geröstet und pulverisiert als Lauchasche eingesetzt.

Köche betrachten den Begriff Asche entspannter als die Wissenschaft. „So ist manche Asche in der Küche strikt keine Asche, sondern getrocknetes, geröstetes Pulver“, sagt Heiko Antoniewicz. „Öffnen wir den Aschebegriff derart, sprechen wir also eigentlich von einem ganzen Spektrum von grünlichen, gelblichen, rötlichen Pulvern mit ganz neuen aromatischen Möglichkeiten, weil es nun um Trocknung und Aromakonzentration, aber auch um Röstaromen bis hin zu bitteren, verbrannten Noten geht. Dabei spiegelt das Pulver nicht immer seinen geschmacklichen Ursprung wider.“ Beispiel Kartoffel: Wird sie zu Beginn direkt in der Glut gegart, schmeckt sie leicht süßlich und ein wenig nussartig. Bei der anschließenden Trocknung entwickelt sie hingegen sandige Röstnoten und ein kraftvolles Umami.

Beim Kochen mit Asche geht es also weniger ums Verbrennen bei hohen Temperaturen, sondern um die dosierte Anwendung trockener Hitze: Bei niedriger Hitze werden die Aromen durch Trocknung konzentriert. Ab etwa 50 °C setzen zusätzlich die chemischen Umwandlungen ein, die allgemein als Garen bezeichnet werden: Makromoleküle (Proteine, Stärke etc.) interagieren und wandeln sich um. Steigt die Temperatur in den Bereich von 130–170 °C, können die bekannten Maillard-Reaktionen einsetzen: Es entstehen Röstaromen von Kaffee, Brotrinde, Toast und Grillnoten. Bei ca. 170 °C setzt dann die Karamellisation ein: Die im Lebensmittel enthaltenen Zucker polymerisieren zu Ketten, das Produkt färbt sich dunkelbraun und bildet die typischen karamellartigen und erste bittere Noten.  Ab 200 °C Oberflächentemperatur setzt das Verkohlen oder Verbrennen ein. Damit ist dann ungefähr der geschmackliche Endpunkt erreicht, bei dem alles gleich schmeckt.

Die Struktur und Zusammensetzung der Lebensmittel gibt den Ausschlag für die Wahl der Methode und Temperaturfolge. Wählt man zum Beispiel bei Fischkarkassen eine zu hohe Temperatur, tritt das Fett aus, die Karkassen verkohlen und das Resultat schmeckt ranzig. Kurz stark angeröstet, dann bei moderaten Temperaturen in Stufen getrocknet und anschließend fein gemörsert, erhält man ein Fischpulver, das sich durch ein feinrauchiges, tiefes Fischaroma auszeichnet und Gerichten eine zusätzliche geschmackliche Tiefe gibt. Für Fleisch und Knochen gilt Ähnliches. Diese werden kurz stark angeröstet und dann stufenweise bei Temperaturen unter 100 °C getrocknet, dies ergibt einen samtigen Umami-Geschmack im resultierenden Pulver. Bei Gemüse ist das Grundverfahren, sie erst anzurösten und dann ruhen zu lassen. Anschließend werden sie bei moderat hohen Temperaturen weiter geröstet und vollständig getrocknet, gegebenenfalls bei großen Stücken in einem nachfolgenden Schritt im Dehydrator. Generell empfiehlt es sich, stärkere, dickere Gemüsesorten vor der Verarbeitung quer zur Faser in kleinere Tranchen zu schneiden. Blätter, Blüten und Schalen verascht man am schonendsten im Grill auf dem Deflektorstein.

BUCHTIPP

Buchtipp: Asche, Glut und Feuer

Asche, Glut & Feuer

Das Trendthema kulinarische Aschen steht beim Buch „Asche, Glut & Feuer“ im Mittelpunkt. Die Rezepte haben Heiko Antoniewicz und Adrien Hurnungee erarbeitet. Der Biologe Michael Podvinec geht im Buch der Asche auf den Grund. Mit seiner Einleitung wird genug Hintergrundwissen erworben, um in die Rezepte von Heiko Antoniewicz und Adrien Hurnungee einsteigen zu können. Illustriert wird das Ganze mit ausdrucksstarken Bildern von Thomas Ruhl.

160 Seiten • Format 24 x 28 cm • ISBN: 978-3-94731-096-8, Edition Port Culinaire, € 29,90 Euro • Bezugsquellen: port-culinaire.deantoniewicz.orgadrien-hurnungee.de

Textquelle: Buch „Asche, Glut & Feuer“
Fotos: Thomas Ruhl/Port Culinaire