Das PUR im Kempinski Hotel Berchtesgaden
Der Handwerker am Herd
Unverfälscht im Geschmack, leicht, bestechend einfach und raffiniert durchdacht zugleich kocht Ulrich Heimann im neuen Restaurant Pur des Kempinski Hotel Berchtesgaden
Seit fünfzehn Jahren, exakt seit dem 1. Februar 2005, kocht Ulrich Heimann erfolgreich im Kempinski Hotel Berchtesgaden. 15 Jahre war seine Wirkungsstätte das Le Ciel, über dem Sterne-Restaurant im Alpen-Resort leuchtete ab 2006 ein Michelin-Stern. Am 1. Februar 2020 wurde für Ulrich Heimann ein lange gehegter Traum wahr: Er erhielt die Chance zu einem kompletten Neustart im Restaurant Pur. Mit 56 Jahren. „Ich bin sehr dankbar, das unser Hoteldirektor Werner Müller und die Kempinski Gruppe großes Vertrauen in mich setzen und mir diesen Neuanfang ermöglichen“, sagt Ulrich Heimann. Seine kulinarische Wirkungsstätte wurde umfänglich renoviert, erhielt ein völlig neues Design – und auch noch einen neuen Namen: Pur. „Für mich ist das wie eine Neueröffnung“, sagt Ulrich Heimann über sein neues altes berufliches Zuhause. Auch am Konzept und dem kulinarische Kurs wurde eifrig gefeilt. Unverfälscht im Geschmack, leicht, überraschend und abseits dessen, was man erwartet, präsentiert der 56-Jährige Küchenmeister seine neuen Kreationen.
„Für mich steht der Begriff Pur für pure Leidenschaft, pure Kochkunst und die Liebe zum Produkt“, sagt Ulrich Heimann. Bei seinen neuen Kreationen verzichtet er darum auf die allzu ekzessive Nutzung von Gewürzen, sondern verwendet hauptsächlich Salz und Pfeffer, um den ursprünglichen Geschmack seiner Produkte zu unterstreichen. Das Ergebnis auf dem Teller ist ein unverfälschter Genuss, bestechend einfach und raffiniert durchdacht zugleich. Ulrich Heimann ist ein exzellenter Handwerker, der einen modernen weltoffenen Küchenstil pflegt, aber klassische Zubereitungen und Techniken nicht vernachlässigt. Er hält zudem engen Kontakt zu den besten Produzenten und Lieferanten der Region. Die in seiner Küche verwendeten Fleisch-, Milch- und Fischprodukte stammen in der Mehrzahl von nahegelegenen Anbietern & Erzeugern.
Das Interview
Herr Heimann, das Jahr 2020 hat für Sie grandios begonnen: Erst haben Sie den Killimandscharo bestiegen, dann Ihr bisheriges Restaurant Le Ciel als Restaurant PUR wiedereröffnet. Ist jetzt also quasi alles neu?
Heimann: Im Grunde schon. Es ist ein Neubeginn. Auch wenn ich immer noch im Kempinski Berchtesgaden arbeite und – räumlich gesehen – am selben Platz koche, für mich ist das Pur wie eine Neueröffnung. Wir haben das Restaurant und sein Konzept ganz neu in Szene gesetzt. Eigentlich ist nur die pure Leidenschaft fürs Kochen gleich geblieben. Die ist bei mir auch nach so vielen Jahren immer noch genauso intensiv wie am ersten Tag.
Wie fühlen Sie sich denn nun an Ihrem neuen alten Arbeitsplatz?
Heimann: Das Ergebnis ist, wie ich finde, eine Bereicherung für das ganze Haus. Wir haben das Le Ciel hinter uns gelassen und das Pur eröffnet, das viel besser zum Gesamtkonzept und Design des Kempinski Berchtesgaden inmitten der grandiosen Natur passt. Das untere Stockwerk – das Essgeschoss, wie wir es nennen – mit dem Ganztagesrestaurant Johann Grill, der Vinothek sowie dem Pur mit einem offen und einladend gestalteten neuen Eingang hat ein ganz anderes Profil gewonnen. Das neue Konzept mitgestalten zu dürfen, ist für mich eine große Ehre.
Ist es allein eine große Ehre oder sind ans neue Gourmet-Restaurant nicht auch Erwartungen geknüpft?
Heimann: Es gibt immer Erwartungen. Es geht darum, dass wir dem Gast jetzt noch mehr bieten können und mit dem Design auch die jüngeren Gäste erreichen. Mit dem Pur zieht sich nun unsere Philosophie der Regionalität und Einbindung des Hotels in die es umgebende Natur wie ein roter Faden durch. Mit Blick auf die Bewertungen geht es natürlich darum, die bisherigen Auszeichnungen zu halten oder auch die eine oder andere noch zu steigern.
Der Name Le Ciel war etabliert, auch bei Gästen und Gourmetführern, doch ein neuer musste her, weil die französische Bezeichnung nicht mehr zur Gesamtausrichtung des Hotels und zum neuen Gourmet-Kurs passte?
Heimann: Exakt, das trifft die Situation auf den Punkt. Deswegen haben wir uns entschieden, nicht unter dem alten, etablierten Namen weiterzumachen. Das eigentlich Spannende war für mich aber, über viele Dinge noch einmal neu nachzudenken und sie ggf. anzupassen oder komplett zu ändern.
Worüber denn, zum Beispiel?
Heimann: Operative Abläufe, Effektivität, Schlichtheit. Dinge wie die Frage, ob die Tische mit oder ohne Tischtuch eingedeckt werden, oder auch, wie wir ins Menü starten. Dazu haben wir statt des üblichen Brotkorbs eine Brotzeit entwickelt, die wie ein Gang gedacht ist.
Das ist der Starter ins Menü?
Heimann: Ja, es gibt aber auch noch Kleinigkeiten vorweg. Dieser Apéro ist meist ein Dreierlei – etwas Saisonales, etwas mit Fleisch, eine vegetarische Komponente. Etwa eine fermentierte Schwarzwurzel, ein Tatar von der Färse mit Kaviar … einfach ein paar Kleinigkeiten zum Aperitif und Appetit anregen.
Stichwort Brotzeit. Brot ist ja inzwischen in vielen Restaurants ein großes Thema geworden. Wie halten Sie es – wird das Brot selber gebacken?
Heimann: Das Brot wird nach meinem Rezept, mit einem Dinkelanteil und viel Zeit zum Gären von unserem Bäcker gebacken. Aber den Schinken machen wir hier selbst. Auch das Gemüse wie Gürkchen und Radieschen legen wir selbst ein. Dazu kommen Butter und zwei natürlich selbstgemachte Aufstriche.
Auf der Speisekarte kann der Gast zwischen zwei Menüs wählen: „Welt“ und „Alpen“. Ist der Name jeweils Programm?
Heimann: Genauso ist es. Für unser Alpen-Menü schöpfen wir gezielt aus der Produktvielfalt der uns umgebenden Natur und Produzenten. Für das Welt-Menü mit leicht asiatischen Anleihen kombinieren wir viele regionale, aber teils auch internationale Produkte. Da gibt es mit Rücksicht auf unser internationales Publikum auch schon mal Hummer, Jakobsmuschel oder Wagyu.
Haben Sie mit Entstehung der neuen Karte auch am Kochstil gefeilt?
Heimann: Ich lege nach wie vor sehr großen Wert auf das Handwerk, die klassische Kochkunst, wenn man so will, ohne mich aber neuen Techniken zu verschließen. Handwerk ist für mich nach wie vor sehr wichtig, auch wenn meine Mitarbeiter das old school finden. Aber Klassiker sind das, was die Gäste lieben, weil sie das anderswo kaum noch bekommen. Zudem geht es für mich darum, mit der Sprache auf dem Teller noch klarer und purer zu werden.
Auf welche Ihrer neuen Gerichte sind Sie besonders stolz?
Heimann: Stolz bin ich auf alles, war wir auf der Karte haben. Das ist, glaube ich, die Grundvoraussetzung. Es gilt, Sorgfalt an den Tag zu legen, und den Produkten, aber auch den eigenen Mitarbeitern Respekt zu zollen.
Was sind Ihre nächsten Ziele als Executive Chef im Pur?
Heimann: Zunächst einmal genieße ich es, mich weiterentwickeln zu können und mich voll aufs Kochen zu konzentrieren. Ich bin immer noch neugierig und lerne täglich dazu, auch von den jungen Kollegen um mich herum. Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich und ihre Ideen mit einzubringen, ist ein Gebot der Zeit. Wir erfahrenen Küchenchefs müssen das Handwerk an die Jüngeren weitergeben, ohne stehen zu bleiben, und – ganz wichtig – wir müssen Neues zulassen. Dieser Aufgabe dürfen wir uns nicht mehr verschließen.
Interview: Sabine Romeis
Bilder: © Kempinski, Berchtesgaden