Kaffeemaschinen
Das Auge trinkt mit
Design als Erfolgsfaktor: Beim Kaffeegenuss zählt neben Maschinentechnik und guten Bohnen auch das Design. Die Optik transportiert neben dem Markenimage jede Menge Emotionen
Maschinendesign und Kaffeegenuss sind zwei Paar Schuhe? Von wegen! Das zeigt das Beispiel einer Hotelgruppe, die vor ihrer Investition in neue Kaffeemaschinentechnik für die Frühstücksbereiche einen Testlauf fuhr. Aus der Fülle des Marktangebots wurden dafür fünf Modelle von fünf Herstellern ausgewählt und mit derselben Kaffeesorte befüllt. Neben dem Kaffee waren auch die Brühparameter identisch. 30 Testpersonen benoteten den Kaffeegeschmack und nannten zusätzlich ihre Lieblingsmaschine in Sachen Design. Das Ergebnis: Am besten bewertet wurden die Kaffees aus jenen Maschinen, die auch in Sachen Design in der Gunst der Probanden vorne lagen. Fazit: Design, Image und Markenauftritt spielen eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Kaffeequalität und -genuss.
„Wenn der Vollautomat für den Gast der Kunden sichtbar ist, zählt natürlich der optische Eindruck“, bestätigt Wiebke Reineke, Leiterin Verkaufsförderung/PR und diplomierte Kaffee-Sommelière bei Jura Deutschland. Das Design einer Maschine hat daher innerhalb der Markenwelt eine zentrale Bedeutung – bis hin zu einer Art Kultstatus. Der Ausdruck „Kult“ wird dabei für Phänomene oder auch Gegenstände verwendet, die wechselnde Trends überdauern und für lange Zeit eine treue Anhängerschaft an sich binden. Die Wertschätzung übersteigt dabei nach Ansicht von Wiebke Reineke die Popularität. „Ein Kaffeevollautomat von Jura ist an sich schon optisch unverwechselbar“, sagt Frank Göring, Geschäftsführer der Jura Gastro Vertriebs GmbH. „Das edle, typisch puristische Design des neuen Modells X10 in Platin fügt sich perfekt in jedes Ambiente ein.“ Das hat auch die Expertenjury des German Design-Awards überzeugt, die das Modell Jura X10 zum Gewinner in der Kategorie Excellent Product Design Kitchen kürte. Der German Design Award gilt als einer der wichtigsten Preise weltweit.
Noch vor rund 20 Jahren waren Kaffeemaschinen viereckige Edelstahlkisten mit ein paar Knöpfen und Öffnungen an der Vorderseite. Bei der Entwicklung standen Technikkomponenten wie Brühgruppe, Mahlwerk oder auch Boiler im Vordergrund und wurden im zweiten Schritt mit einer Art „Verkleidung“ vor Einblicken geschützt. Heute werden neue Maschinen von Anfang an im Zusammenspiel von Designern und Ingenieuren entwickelt. Die Herausforderung besteht darin, das immer komplexere Innenleben in eine möglichst kompakte Maschine mit einem ansprechenden Design zu integrieren.Inspiriert von der Smartphone-Industrie, die mit immer kleineren und zugleich immer leistungsfähigeren Handys auftrumpft, wünschen sich Kunden heute auch von Kaffeemaschinenherstellern Modelle mit einem möglichst kleinen Fußabdruck, weil der Platz an den Büfetts, Getränkeausgaben oder Bars knapp und somit wertvoll ist.
Ein Blick in die Produktion von Melitta Professional Coffee Solutions verdeutlicht die Herausforderung: Auf engstem Raum werden per Hand Komponenten wie Milchaufschäumer oder Brühgruppe mit meterlangen Leitungen, Schläuchen, Stromkabeln und Elektronikbauteilen montiert. Mit Hilfe von CAD-Programmen wird die Anordnung optimiert und jede noch so kleine Lücke genutzt. Die Montage erfordert von den Mitarbeitern Know-how und Fingerspitzengefühl, damit jedes Bauteil seinen Platz findet. Erst zum Schluss werden die Verkleidungen und Abdeckungen montiert, die der Maschine das unverwechselbare Melitta-Image verleihen. Der fast schon legendäre Kaffeevollautomat Cafina XT6 wurde inzwischen mit drei Design-Auszeichnungen belohnt: IF Product Design Award, Red Dot Award und German Design Award.
Kaffeemaschinen sind für viele Kunden und Gastronomen heute nicht nur ein wichtiger Umsatzbringer im Tagesgeschäft, sondern längst auch ein Prestigeobjekt geworden – durchaus vergleichbar mit einem Auto. Das heißt: Wer es sich leisten kann,kauft – im übertragenen Sinne – lieber gleich den repräsentativen und imageträchtigen Porsche oder Mercedes unter den Kaffeemaschinen als den praktischen und alltagstauglichen Dacia oder VW.
Text: Jörg-Michael Ehrlich
Fotos: Hersteller
Interview
„Gutes Design ist ein starkes Signal“
Achim Trossen, Senior Industrial Design Engineering Professional Coffee Machines bei der WMF Group, über Kaffeemaschinen-Design, aktuelle Trends und Kundenerwartungen
Welche Rolle spielt heute das Design für den Erfolg einer Kaffeemaschine?
Trossen: Design ist für uns ein Instrument, um unseren hohen qualitativen Anspruch zu transportieren. Gutes Design ist immer einstarkes Signal, dass es sich um ein Premium-Produkt handelt. Aber Design hat auch einen ganz praktischen Nutzen, wenn dadurch ein Gast in einem Selbstbedienungsbereich intuitiv seine Tasse an der richtigen Stelle positioniert. Wir sprechen hier von Mensch-Maschine-Schnittstellen.
Welche Trends gibt es aktuell?
Trossen: Als einer der ersten Hersteller nutzen wir Licht zur Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Die Maschine interagiert beispielsweise mit dem Nutzer durch Lichtsignale wie ein rotes Blinken, wenn Kaffeebohnen nachgefüllt werden müssen. Licht ermöglicht zudem die Anpassung an unterschiedlichste Umgebungen und liefert eine emotional Komponente, sodass die Maschine zum zentralen Hingucker wird.
Welche Herausforderungen sind damit für Sie als Designer verbunden?
Trossen: Design für ein Investitionsgut ist ein Spagat zwischen den hygienischen Anforderungen und den Erwartungen an ein möglichst universelles Design. Dabei bewegen wir uns zwischen den Extremen „geschlossener und leicht zu reinigender Edelstahl-Monolith mit möglichst wenig Knöpfen“ und „optisch ansprechende Maschine mit möglichst vielen Funktionen“. Hinzu kommt: Unsere Maschinen stehen in unterschiedlichsten Umgebungen, vom Restaurant über die Tankstelle bis zum Coffeeshop.
Was ist zuerst da – das technische Innenleben mit seinen Komponenten oder das äußere Design einer Kaffeemaschine?
Trossen: Beide Ausgangssituationen sind möglich. Beim Re-Design einer bestehenden Maschine ist das innere Korsett, also die Anordnung von Komponenten wie Brühgruppe, Auslauf, Mahlwerk oder Boiler, gegeben. In diesem Fall müssen wir als Designer einen Weg finden, wie wir das Äußere trotzdem innovativ darstellen können. Bei einer völlig neuen Maschine stehen zwar die Komponenten fest, aber wie sie positioniert werden, ist teilweise noch offen. Nachdem wir einen Design-Prototyp entwickelt haben, müssen die Ingenieure sehen, wie sie die Technik ins Gerät bekommen. Natürlich spielen wir uns in diesem Prozess gegenseitig die Bälle zu.
Welche Erwartungen haben Kunden ans Design einer Kaffeemaschine?
Trossen: Kunden fragen oft, warum unsere Maschinen immer noch so groß sind. Es gibt aber Elemente wie Boiler oder Brühgruppen, die einen gewissen Platz benötigen. Trotzdem konnten wir den Fußabdruck unserer Maschinen in den letzten Jahren verringern, denn an Büfetts oder Getränkeausgaben bedeutet jeder Zentimeter weniger bares Geld.
Wie wichtig ist das Design für die Kaufentscheidung?
Trossen: Für unsere betriebswirtschaftlich denkenden Kunden stehen natürlich Aspekte wie Qualität, Tassenleistung, Handling, Service oder Lebensdauer im Vordergrund. Für viele ist die Kaffeemaschine aber auch ein Prestigeobjekt. Kunden kaufen daher nicht unbedingt die günstigste Maschine, sondern eine, die sich durch Leistung, Image und Design vom Mittelmaß abhebt. Das Design spiegelt die Wertigkeit der Herstellung und die Qualität des Endprodukts in der Tasse wider.
Interview: Jörg-Michael Ehrlich
Foto: WMF Group