Organisation und Führung

Wenn der Berater kommt

Wer krank ist, geht zum Arzt. Wenn das Unternehmen oder das Küchenkonzept kränkelt, scheuen viele die Unterstützung durch externe Profis. Manche Küchenchefs halten Gastronomie-Beratung für reine Geldverschwendung, andere wiederum bezeichnen sie als ihre Rettung zur Bewältigung von Krisenzeiten. Was stimmt?

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„Ich hätte mir seinerzeit als Küchenchef einen Experten gewünscht, der analysiert, ob wir auf dem richtigen Weg zum Sternerestaurant sind“, sagt Anton Pahl, der 2020 für das Restaurant Setzkasten in Düsseldorf einen Michelin-Stern erkochte. „Wir haben ein sehr hohes Lehrgeld für unseren Erfolg zahlen müssen. Durch professionelle Betreuung hätte sich das unter Umständen reduzieren lassen.“ Anfang 2023 hat Anton Pahl die Seiten gewechselt, um seine Erfahrungen weiterzugeben. Mit seiner Frau Claudia berät und begleitet er heute Betriebe auf dem Weg in eine bessere Zukunft. „Oft können wir schon mit relativ kleinen Mitteln viel bewirken“, sagt Anton Pahl. Während er sich auf die Küche konzentriert, nimmt seine Frau Restaurant, Service, Organisation und Management unter die Lupe. Anton Pahl: „Ich komme nicht mit dem Laptop unterm Arm und Forderungen für einen teuren Umbau, sondern packe erst mal mit an. Dabei merken die Teammitglieder, dass ich einer von ihnen bin und verlieren ihr Misstrauen.“

Voraussetzung: Fähigkeit zur Selbstreflexion

Als wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Beratung nennt Pahl die Fähigkeit des Kunden zur Selbstreflexion und das kritische Hinterfragen der eigenen Situation. „Speziell im Küchenbereich überschätzen sich viele und sind nicht bereit, sich einzugestehen, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind“, ist Anton Pahl überzeugt. „Consulting funktioniere aber nur, wenn der/die Berater*in sowohl dem Inhaber als auch dem Team von Anfang an klar macht, dass es nicht um Schuld und Sühne geht. „Ich suche keine Sündenböcke, sondern Lösungen.“ Er entwickelt Strategien und Prozesse, um den Betrieb angesichts der immer größeren Herausforderungen krisenfest aufzustellen.

Keine Angst vor Veränderungen

„Die meisten Menschen haben große Angst vor Veränderungen“, weiß auch Kai Huth. „Ich verstehe es als meine wichtigste Aufgabe, sie für innovative Prozesse und Abläufe in der Küche zu begeistern.“ Kai Huth ist Inhaber von KH-Gastro-Consulting mit Sitz in Brinkum/Ostfriesland. Seine Auftraggeber sind vor allem Investoren, die Gastronomie meist nur aus der Gastperspektive kennen. Seine Herausforderung besteht darin, ihre zum Teil unrealistischen Erwartungen mit den Realitäten vor Ort und den Anforderungen der Küchenpraxis zu vereinen. Kai Huth hat über 20 Jahre Erfahrung als Küchenchef, Küchenplaner und Coach. Seine Erfahrung: Sobald die Mitarbeitenden spüren, dass sich zum Beispiel durch moderne Küchentechnik und/oder veränderte Arbeitsabläufe der Stress und die Überstunden deutlich reduzieren lassen, ist das Eis gebrochen. „Die Teams müssen umdenken und sich von Erlerntem verabschieden, erreichen aber mittelfristig durch die gesteigerte Effektivität und höhere Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeit mehr Zufriedenheit im Beruf.“

Das Basta-Prinzip funktioniert nicht mehr

Für Britta Müller, Mitinhaberin des auf Mitarbeiter-Management spezialisierten Unternehmens „W.I.R. gewinnt“ in Hamburg, hat das Thema Mitarbeitergewinnung und -bindung durch den Fachkräftemangel stark an Bedeutung gewonnen. „Ein Koch ist ein Experte auf seinem Gebiet“, sagt Britta Müller, „doch Themen wie Personalführung kamen in seiner Ausbildung wenig vor.“ Da Mitarbeiter*innen sich inzwischen aussuchen können, wo und wie sie arbeiten, holen sich laut Britta Müller immer mehr Unternehmer und Führungskräfte in Sachen Mitarbeiterführung Hilfe von außen.

Fähigkeiten wie Teamwork, kritisches Denken, Kommunikation und Kreativität haben an Bedeutung gewonnen. „Das Basta-Prinzip funktioniert heute nicht mehr“, betont Britta Müller. „Das mag für manche Menschen bitter sein, aber es ist eine riesige Chance, um bessere Absprachen zu treffen, einen neuen Umgang zu pflegen, einen anderen Ton einzuüben und dabei im Idealfall festzustellen, dass sich das auch für den Unternehmer bzw. die Führungskraft gut anfühlen kann – ganz abgesehen davon, dass es sich wirtschaftlich lohnt und für das wirtschaftliche Überleben notwendig ist.“

Freude und Lust am Kochen neu wecken

Wie Anton Pahl wechselte auch der gebürtige Allgäuer Moses Ceylan aus der Sterneküche in die Beratung. Heute unterstützt er mit seinem Unternehmen Gastrodesign Restaurantinhaber*innen dabei, ihre Ideen, Träume und Visionen in die Realität umzusetzen. „Ich erarbeite mit dem Team einen Plan, wie es seine Ziele erreichen kann.“ Dabei geht es weniger um konkrete Ratschläge oder Anweisungen, sondern die Befähigung der Teammitglieder, die innere Einstellung zum Beruf zu verändern. Moses Ceylan hört zu und stellt Fragen wie: Worauf habt ihr Lust zu kochen? Was sind Eure Stärken? oder Wen wollt Ihr erreichen? Gemeinsam geht es dann in die Küche, um neue Dinge auszuprobieren, die Organisation zu verändern oder das Zeitmanagement und den Einkauf zu verbessern.

Oberstes Ziel ist es, die Freude und Lust am Kochen neu zu wecken, die oftmals aufgrund starrer Routinen und Zwänge von außen verlorengegangen ist. „Da passiert ganz viel im Unterbewusstsein“, berichtet Moses Ceylan. „Plötzlich haben die Leute wieder Spaß an ihrer Arbeit. Sie kochen mit Liebe, sind wieder motiviert und agieren selbstbewusster, weil sie beispielsweise selbst entscheiden dürfen, was auf die Karte kommt.“

Text: Jörg-Michael Ehrlich
Foto: Adobe Stock

Interview

„Es geht nicht um Besserwisserei“

Björn Grimm, Grimm Consulting (Hamburg/Lüneburg), ist seit 20 Jahren im Geschäft und hat seither rund 3 000 Betriebe erfolgreich beraten

Lässt sich der Erfolg einer Beratung durch Zahlen evaluieren?

Grimm: Vor allem bei langfristigen Mandaten können wir anhand von messbaren Parametern sehr genau nachweisen, was unsere Arbeit bewirkt hat. Es ist auch immer eine Motivation und Bestätigung für meine Mitarbeitenden, dass sich die von uns angestoßenen Veränderungen auszahlen. Kürzlich erst hat mir ein Hotelier gesagt, dass er vor unserer Zusammenarbeit wohl Geld im Wert von mehreren Einfamilienhäusern verschenkt hat, weil sein Unternehmen suboptimal aufgestellt war.

Wie lange sind Sie in der Regel in einem Unternehmen aktiv?

Grimm: Teil unserer Philosophie ist es, dass wir nur so lange in einem Unternehmen bleiben, wie wir uns bezahlt machen, der Kunde also einen geldwerten Vorteil generiert. Sobald wir merken, dass ein Kunde keine großen wirtschaftlichen Effekte mehr durch unsere Arbeit erzielt, ziehen wir uns zurück. Es gibt aber auch Kunden, die uns weiterhin, beispielsweise einmal im Jahr, als Sparringspartner ins Haus holen

Um welche Themen geht es vor allem Ihrer Beratertätigkeit?

Grimm: Die Hauptthemen sind Mitarbeiter, Qualitätssicherung und Kostendruck: Wie können wir für ein Wohlfühlklima im Betrieb sorgen? Wie organisieren wir Arbeit und Prozesse? Mit welchen Benefits können wir unsere Mitarbeitenden an unseren Betrieb binden? In guten Betrieben geht es auch immer um das Halten und Verbessern der Qualität, um sich im Markt noch eindeutiger zu positionieren. Damit die immer höheren Kosten ihren Schrecken verlieren, suchen wir gemeinsam nach Lösungen.

Wie gehen Sie konkret bei einer Beratung vor?

Grimm: Wir bauen für unsere Kunden ein maßgeschneidertes Büfett der Möglichkeiten auf. Der Kunde kann entlanggehen und zugreifen, wenn ihm etwas gefällt. Unser Job ist, das Büfett durch Innovationen und Problemlösungen attraktiv zu halten, damit immer genug Input verfügbar ist. Der Kunde hat also die Wahl, die für sich passenden Dinge individuell auszuwählen.

Geben Sie auch konkrete Ratschläge, was sich ändern sollte?

Grimm: Es geht für uns nicht um Besserwisserei. Unsere Arbeit hat vor allem das Ziel, die Menschen zu ermuntern und für Veränderungen zu motivieren sowie Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, um Lebensqualitäten zu verbessern – und zwar nicht nur für die Mitarbeitenden, sondern auch für die Unternehmer.

„Teil unserer Philosophie ist, dass wir nur solange im Unternehmen sind, wie wir uns bezahlt machen, also der Kunde einen geldwerten Vorteil generiert.“

Björn Grimm über die generelle Dauer seiner Beratungsleistung

Text: Jörg-Michael Ehrlich