Nils Henkel
Spitzenkoch auf neuen Wegen
Der Name Nils Henkel steht für Sterneküche und Fine Dining auf höchstem Niveau. Dass seine Gerichte aber auch lässig und mehrheitsfähig sein können, beweist der 51-Jährige als Küchenchef im hippen Lifestyle-Hotel Papa Rhein in Bingen
Viele Jahre im Schlosshotel Lerbach bei Köln und zuletzt drei Jahre auf Burg Schwarzenstein im Rheingau: Mit seiner Pure Nature-Küche und seinen beiden Menüs Flora und Fauna hat Nils Henkel (51) einen ganz eigenen kulinarischen Stil geprägt. Souverän und stets einfallsreich spielt der langjährige Zwei-Sterne-Koch dabei mit Texturen und Aromen und rückt mit Vorliebe alte Gemüsesorten und wilde Kräuter als Hauptdarsteller in den Mittelpunkt. Fisch und Fleisch spielt bei manchen seiner Gerichte eher die Nebenrolle. Besonders deutlich wird seine Leidenschaft für Gemüse bei seinem Menü Flora, bei dem er ganz auf Fisch & Fleisch verzichtet.
Beste Qualität, ohne Sterne-Ambitionen
Die Pure Nature-Küche in Reinform und das Thema Sterne-Gastronomie sind für Nils Henkel aktuell passé. Im Zuge der Corona-Krise wurde seine bislang letzte Wirkungsstätte als Sternekoch, das Restaurant Schwarzenstein – Nils Henkel auf Burg Schwarzenstein in Geisenheim, Mitte März 2020 geschlossen und nach dem ersten Lockdown überraschend nicht wieder geöffnet. Für Nils Henkel Glück im Unglück: die Freundschaft zu Hotelier Jan Bolland. Er bot Nils Henkel nach dem Aus im Rheingau spontan die Küchen-leitung für sein neues Lifestyle-Konzept Papa Rhein Hotel & Spa in Bingen an damit verbunden auch die gastronomische Verantwortung für das Restaurant Bootshaus. Nils Henkel sagte zu und beweist seit August 2020 seine Vielseitigkeit als Profi am Herd und zudem die Mehrheitsfähigkeit seiner Küche. Von Anfang an war ihm klar, dass es im Papa Rhein nicht um Sterne geht. Im Fokus steht ein lässiges Gastronomiekonzept mit Speisen in bester Qualität, aber ohne Sterne-Ambitionen. Auf den Tisch kommt eine Symbiose aus regionaler und weltoffener Küche mit Fokus auf Fisch und Gemüse. Auf der Karte stehen neben maritimen Bistro-Klassikern auch Gerichte aus Henkels Gemüseküche. Dazu passen die Weine aus den umliegenden Anbaugebieten.
Interview
„Meine Soßen koche ich nicht anders als früher“
Nils Henkel über den Rückzug aus der Sternegastronomie, seinen Qualitätsanspruch im Restaurant Bootshaus und was von seinem Faible für die Gemüseküche geblieben ist.
Mehr als zwei Jahrzehnte haben Sie auf Zwei- bzw. Drei-Sterne-Niveau gekocht und bisher fast Ihr ganzes berufliches Leben in der Sterne-Gastronomie gearbeitet. Als Küchenchef im Papa Rhein Hotel haben Sie Ihren Status als Sternekoch verloren. War es, rückblickend betrachtet, für Sie die richtige Entscheidung, nach Bingen zu gehen?
Henkel: Auf jeden Fall. Ich habe hier eine Aufgabe, die mir Spaß macht, und das ist ja die Hauptsache. Als Sternekoch genießt man natürlich ein besonderes Ansehen, aber ich habe schon immer die Dinge gemacht, die ich für richtig hielt. So habe ich mir in der Branche einen guten Ruf erarbeitet, der nicht davon abhängig ist, ob oder wieviele Sterne ich koche.
Was hat Sie daran gereizt, die kulinarische Verantwortung im Papa Rhein zu übernehmen und wie kochen Sie im Restaurant Bootshaus?
Henkel: Es war klar, dass es hier nicht um Sterne-Küche geht, doch ich fand das Konzept einfach spannend: hip, lässig, am Puls der Zeit. Die Atmosphäre in Restaurant und Küche ist entspannt, aber natürlich kochen wir hier trotzdem mit einem hohen Anspruch. Das war vielleicht nicht so geplant, doch wenn ich irgendwo Küchenchef bin, dann will ich es auch gut machen. Auf dem Programm steht eine weltoffene, mediterrane Küche mit Fokus auf Fisch und Gemüse. Ich kaufe hochwertige Produkte ein und koche meine Soßen heute auch nicht anders als früher.
Ist also die Option auf einen Stern nicht ausgeschlossen?
Henkel: Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass der eine oder andere Teller, der über den Pass geht, einen Stern wert wäre, das finde ich auch charmant. Aber die Auszeichnung mit einem Stern wäre das falsche Signal und würde Erwartungen wecken, die wir vielleicht nicht erfüllen können. Wenn man an einem Freitag- oder Samstagabend für 150 Gäste kocht, muss man grundsätzlich anders planen und arbeiten, als wenn man 50 Gäste hat. Meine Küche muss jetzt mehrheitsfähig sein, weniger aufwändig und mit wenigen Handgriffen auskommen, damit es für das Team umsetzbar bleibt, auch wenn ich mal nicht am Pass stehe.
Nach drei Monaten im Startjahr 2020 ist das Papa Rhein nach dem Lockdown jetzt seit 1. Juni wieder geöffnet. Wie ist der Zuspruch der Gäste?
Henkel: Nicht nur am Wochenende ist das Hotel sehr gut gebucht. Freitags und samstags haben wir in der Regel um die 200 Hausgäste und sind dann auch im Bootshaus voll. Um alle entsprechend der Corona-bedingten Abstandsregeln bewirten zu können, machen wir zwei Seatings und bieten ein Drei-Gang-Menü mit wahlweise Vorspeise oder Salat, Fisch oder Fleisch, Käse oder Dessert sowie zwei bis drei weitere Gerichte aus der à la carte-Karte. Damit sind wir gut ausgelastet und haben auch kaum Möglichkeiten, noch externe Gäste anzunehmen. Die Tendenz geht dahin, die komplette à la carte-Karte nur noch mittags anzubieten. Mehr Spielraum gibt es voraussichtlich, wenn wir demnächst unser zweites Restaurant auf dem Lido-Deck eröffnen – ein authentisch italienisches Konzept mit Pizza und Pasta bei toller Aussicht auf den Rhein.
Als einer der ersten Sterne-Köche setzten Sie ein vegetarisches Menü auf die Speisekarte. Welchen Stellenwert haben vegetarische oder auch vegane Gerichte im Restaurant Bootshaus?
Henkel: Wir haben immer vegetarische Gerichte auf der Karte, das ist mir wichtig, und viele Gäste essen bei uns vegetarisch. Manche kennen mich von früher und erwarten dieses Angebot. Vegan kochen wir nur, wenn der Gast darauf besteht, aber nicht aus innerer Überzeugung. Ich möchte als Koch nicht auf Zutaten wie Butter, Ei oder Käse verzichten.
Sie haben ein Faible für hochwertige Produkte aus Deutschland. Können Sie diese Einkaufsphilosophie auch als Küchenchef im Papa Rhein fortführen?
Henkel: Grundsätzlich favorisiere ich Produkte aus Deutschland. Da hat sich in den letzten zehn, zwölf Jahren bei Qualität und Angebot sehr viel getan. Bei unserem Einkaufsvolumen kann ich mich jedoch leider nicht allein auf die Produkte kleiner, ausgesuchter Lieferanten konzentrieren, weil sie nicht immer in den nötigen Mengen erhältlich sind. Aber wenn möglich kaufe ich zum Beispiel gerne das Geflügel vom Ochsenschläger-Hof in Biblis. Für Rind, Kalb und Schwein arbeite ich mit dem Metzger Glasstetter in der Nähe von Karlsruhe zusammen, der noch selbst schlachtet und die Tiere von umliegenden Bauernhöfen selektiert. Von ihm bekommen wir auch unseren Aufschnitt, den Schinken und die Wurst fürs Frühstück.
Haben Sie mit Ihrem Wechsel ins Papa Rhein das Kapitel Sterne-Küche für sich abgeschlossen?
Henkel: Ich will nicht sagen, dass ich nie wieder Sterne-Küche mache, denn sie ist nach wie vor meine Passion, und es gibt Momente, da vermisse ich diese Art zu kochen sehr. Doch im Moment habe ich große Freude daran, unseren Gästen mit einem tollen Team, in dem fast alle ebenfalls Sterne-Erfahrung haben, und unserer Bootshaus-Küche einen genussreichen Abend zu bereiten. Wenn am Ende alle glücklich sind, ist das doch die beste Bestätigung, die man als Koch bekommen kann. Das gelingt auch dank der großartigen Unterstützung meiner beiden Sous Chefs Roland Kröss und Michel Gietz sehr gut.
Glauben Sie, dass die Sterne-Küche weiter gefragt bleibt, oder gehört Konzepten à la Bootshaus die Zukunft?
Henkel: Wir haben inzwischen extrem viele Sterne-Restaurants in Deutschland, und ich denke, dass der Markt dafür nicht größer, sondern eher kleiner wird. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass die Gourmet-Küche immer ihr Publikum haben wird. Aber ich glaube auch, dass entspannte Lifestyle-Konzepte, bei denen kreativ und handwerklich gut gekocht wird, im Zeitgeist liegen und sich zunehmend durchsetzen werden.
„Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass der eine oder andere Teller einen Stern wert wäre.“
Nils Henkel, Küchenchef Hotel Papa Rhein (Bingen)
Interview: Sabine Romeis
Fotos: Wonge Bergmann; Dominik Ketz