Hotel Friederikenhof, Lübeck

Kochen mit Kaffee

Kaffee kann man nicht nur trinken, sondern auch als aromatisierende Zutat in der Küche verwenden. Wie das geht, zeigt Küchenchef Felix Lestrat vom Hotel Friederikenhof in Lübeck mit einem Drei-Gänge-Menü unter Verwendung von Espressobohnen und einem Kaffeetee

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Kaffee hat eine unglaubliche Geschmackstiefe und Komplexität, die vielen Gerichten eine zusätzliche Dimension verleihen kann. Die Aromatik kann süß, bitter, malzig, sauer, fruchtig oder sogar umami sein. Das macht Kaffee zu einem sehr spannenden Pairing-Partner in der Küche. Um das Bewusstsein für Kaffeequalitäten und ihre unterschiedlichen Geschmacksprofile zu schärfen, hat J.J. Darboven gemeinsam mit dem Romantik-Hotel Friederikenhof in Lübeck und chefs! das Projekt „Kochen mit Kaffee“ initiiert. Küchenchef Felix Lestrat war sofort Feuer und Flamme und bereit, mit seinem Team ein Kaffee-Menü zu konzipieren.

Unterstützung erhielt er von Joachim Kühne, Barista und Leiter der Kaffee-Akademie von J.J. Darboven in Hamburg. Joachim Kühne übernahm die Vorauswahl der Kaffeebohnen für die drei Gänge und stand Felix Lestrat im Vorfeld mit Rat und Tat zur Seite. „Wir haben Felix zwei extrem unterschiedliche Espressi zur Verfügung gestellt, um ihm maximale Flexibilität zu ermöglichen“, berichtet Joachim Kühne. Ein Kaffee war ein 100 Prozent indischer Robusta mit einer würzigen Aromatik und einem wuchtigen Körper (J.J. Darboven Classics Verde Espresso Barista Bio), der andere Kaffee ein sortenreiner Arabica mit Bohnen aus drei Ländern (J. Hornig Röstmeister). „Durch die drei Origins bringt er völlig unterschiedliche Aromen mit“, erklärt Joachim Kühne, „das Schoko-Nuss-Aroma steuert der Kaffee aus Brasilien bei, die Karamellnote der Kaffee aus Peru und die fruchtige Säure ein Arabica aus Kolumbien.“

Für das Dessert wählte Joachim Kühne einen Früchtetee auf Cascara-Basis (Eilles Tee Cascara-Mango). Cascara ist das getrocknete Fruchtfleisch der Kaffeekirsche, das die Bohne umschließt. „Bis vor kurzem wurde das Fruchtfleisch nach der Kaffeeernte entfernt und als ­Abfall kompostiert oder auf den Feldern verstreut“, sagt Joachim Kühne. „Erst seit 2022 ist Cascara als Novel Food in der EU zugelassen und wird inzwischen von einigen Röstern importiert und verarbeitet.“ Das Produkt wird auch als Kaffeetee bezeichnet. Durch seinen fruchtigen Charakter, den hohen Anteil an Antioxidantien und Koffein ist Cascara prädestiniert für Tees und andere Getränke und bildet eine gute Basis für die Herstellung von Desserts und Sorbets.

Partner für süße und herzhafte Küche

„Bei dem Thema Kochen mit Kaffee denken die meisten wahrscheinlich erst ­einmal an Desserts“, glaubt Felix Lestrat. „Dabei passt Kaffee genau wie Kakao auch in die herzhafte Küche.“ Weil es so viele verschiedene Sorten gibt, ist Kaffee seiner Meinung nach unheimlich flexibel einsetzbar. Fruchtige Kaffees eignen sich beispielsweise für Fisch oder auch zum Abschmecken von Rindertatar. Kräftige, würzige Kaffees potenzieren als Gegenspieler die Geschmacksintensität von Soßen oder Fleischgerichten. „Bei Geflügel ist es schwieriger, weil der Eigengeschmack sehr zart ist“, gibt Felix Lestrat zu bedenken. „Man braucht einen geschmacklichen Partner auf Augenhöhe, sonst schmeckt das Huhn nicht mehr nach Huhn. Denkbar wären in Kaffeesud geschmorte Hühnerkeulen.“

Anfangs experimentierte Felix Lestrat mit gebrühtem Espressoextrakt, musste aber feststellen, dass beim Erhitzen fast alle Aromen verlorengingen und nur ein bitterer Geschmack übrig blieb. Vor allem die Fruchtigkeit fehlte. „Wir haben es daraufhin mit ganzen Bohnen versucht, die bei möglichst geringer Hitze mitgegart wurden“, erzählt Felix Lestrat. So verlor die Kaffeebohne weniger Aromen, und das Ergebnis war überwältigend. „Die Temperatur beeinflusst die Extrak­tionskinetik, ganz gleich, ob es sich um Wasser, Rotwein oder Milch handelt“, ergänzt Joachim Kühne. „Der Osmoseprozess sollte daher nach Möglichkeit in die Länge gezogen werden.“ Als Beispiel nennt er das Cold Brew-Verfahren, bei dem kaltes Wasser über einen langen Zeitraum mit Kaffee in Kontakt kommt. „Dadurch entsteht eine völlig andere Aromatik, die beim normalen Brühen mit Hitze nicht zum Tragen kommt.“

Confierte Lachsforelle im Kaffeemantel

Zwar sollen Gäste in ihren Gerichten den Kaffee nicht als dominant herausschmecken, sondern in Harmonie mit allen anderen Aromen. „Sie sollten aber schon spüren, dass etwas Kaffeeartiges den Geschmack unterstützt“, sagt Felix Lestrat. Für seine Vorspeise – Confierte Lachsforelle im Kaffeemantel – verwen­dete Felix Lestrat eine Mischung aus Panko (zerriebenes Weißbrot), Meersalz und Kaffeebohnen (Espresso Barista Bio), die sehr fein gemahlen wurden. „Durch die würzige Frische der Espressobohne hatten wir die Idee, den Geschmack des Sommers mitzunehmen“, erzählt der Küchenchef. Die Lachsfo­relle wurde zunächst in Nussbutter confiert und dann im Kaffee-Panko gewendet. Dazu gab es einen fruchtigen Fischsud, Kaviar von Finger-Limes und ein Kokos-Kaffee-Gel mit Latte macchiato-Aroma. Auch dafür arbeitete Felix Lestrat mit ganzen Kaffeebohnen, die mit kochender Kokosmilch übergossen wurden und eine Stunde darin verblieben.

„Wir haben unheimlich viel expe­rimentiert, weil wir keine Vorstellung davon hatten, wie das fertige Produkt schmecken soll“, erinnert sich Felix Lestrat. „Wir wussten nur, dass es in seiner Gesamtheit harmonieren sollte.“ Der Kaffee durfte auf keinen Fall einseitig im Vordergrund stehen, sondern sollte das ­Gericht perfekt ausbalancieren. „Unsere Arbeit hatte viel mit Trial & Error zu tun, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Erst im Nachhinein konnten wir eine genaue Zutatenliste erstellen, um später das gewünschte Ergebnis reproduzierbar zu machen.“

In Kaffee geschmorte Schweinebacke

Als Herausforderung erwies sich der Hauptgang mit in Kaffee geschmorter Schweinebacke. Zahlreiche Versuche waren nötig, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Der Grund: Normalerweise verwendet man für einen klassischen Soßenansatz Rotwein, Sellerie, Möhren, Zwiebeln, Schalotten und Tomatenmark, der in diesem Fall noch um Espresso-Bohnen erweitert wurde. Dabei fiel auf, dass die Karotten und der Sellerie zu viel Süße abgaben, die nicht mit den Aromen des Kaffees harmonierte. „Beim nächsten Versuch haben wir nur mit Zwiebeln, Schalotten, Rotwein und Kaffeebohnen gearbeitet und auf diese Weise einen vollmundigen Umami-Geschmack erzielt“, verrät Felix Lestrat.

Anfangs war er davon ausgegangen, dass der kräftig-würzige Espresso Barista Bio, ein indischer Robusta, perfekt mit den geschmorten Schweinebäckchen harmoniert. Doch irgendetwas passte nicht. „Wir haben es dann mit dem Röstmeister versucht und zu unserer Überraschung ein viel harmonischeres Gesamtbild erzielt“, sagt Felix Lestrat. „Wir mussten also viel Zeit investieren, unterschiedliche Dinge ausprobieren und so manchen Umweg auf dem Weg zum Ziel gehen.“ Auch bei der Zubereitung des Sellerie-Kaffee-Pürees wurden die Bohnen als Ganzes mitgegart und erst vor dem Pürieren entfernt.

Dessert aus den Tee der Kaffeekirsche

Für das Dessert brühte Felix Lestrat aus dem Tee der Kaffeekirsche (Eilles Tee Cascara-Mango) einen kräftigen Sud auf, aus dem er zusammen mit einem hochwertigen Zitronenpüree (Citron de Syracuse) im Pacojet ein klassisches Sorbet herstellte. Als Gegenspieler zur extrem fruchtigen Komponente gab es auf dem Teller ein Schokoladen-Küchlein aus Cocaya-Kakao mit einem Mangogel, einem Mandarinengel, frischer Mango und Mandarinensegmenten. Felix Lestrat ist sich sicher, dass sein Team und er die gewonnenen Erkenntnisse auch in Zukunft nutzen werden. „Ich kann mir das Kochen mit Kaffee beispielsweise bei Wildgerichten sehr gut vorstellen. Die Komplexität des Röstmeister-Espressos ist beeindruckend und eröffnet völlig neue Geschmackserlebnisse.“ Bei der Beschreibung der Gerichte auf der Speisekarte wird er in Zukunft die verwendete Kaffeebohne benennen, um seine Gäste für das Thema Kaffeequalitäten zu sensibilisieren. „Das ist nicht nur wichtig, um die Gäste mit etwas Neuem zu überraschen, sondern auch, um mit ihnen in den inhaltlichen Dialog treten zu können, damit Kaffee die Wertschätzung erhält, die er verdient.“

„Unsere Arbeit hatte viel mit Trial & Error zu tun, um am Ende zu einem harmonischen Ergebnis auf dem Teller zu kommen.“

Felix Lestrat, Küchenchef, Friederikenhof

Methodik –
Kochen mit Kaffee

Methode 1: Kaffee mahlen/Kaffeesalz
Ganze Bohnen werden beispielsweise mit Panko/Paniermehl und Meersalz zu einer Art Panade/Gewürzmischung gemahlen.

Methode 2: Kaffee brühen/Kaffee-Extrakt
Mit einer Espressomaschine wird ein kräftiger Extrakt produziert und eventuell weiter reduziert. Filterkaffee funktioniert nicht.

Methode 3: Ganze Bohnen mitgaren
Durch das Mitgaren ganzer Bohnen in flüssigen Medien (z.B. Wasser, Soßen, Sahne, Milch) lassen sich die meisten Aromen extrahieren. Je niedriger die Temperaturen und je länger die Einwirkzeit, desto intensiver die Aromatik.

Methode 4: Cold Brew/kalter Kaffeesud
Über mehrere Stunden mit kaltem Wasser oder anderen Flüssigkeiten extrahierter Kaffee löst völlig andere Aromen aus der Bohne als heißes Wasser. Der entstehende Sud kann dann zum Garen von Gemüse, für Soßen oder auch Desserts genutzt werden.

Text: Jörg-Michael Ehrlich
Fotos: Daniel Reinhardt