Im Interview: Heiko Antoniewicz
„Das Schlimmste ist die Angst vor Veränderung“
Blick zurück und nach vorn: 8 Fragen rund um Pandemie, Lockdown und die Herausforderungen der Restart-Phase an Heiko Antoniewicz, Geschäftsführer, Antoniewicz GmbH und Kulinarik Kiste, Werne
Hinter uns liegen lange Monate im Lockdown. Wie haben Sie die freigewordene Zeit genutzt?
Antoniewicz: Die Energie, die wir vor der Pandemie rund um Innovation und Produktentwicklung für Kunden aufgewendet haben, haben wir während des Lockdowns in eigene Projekte gesteckt. Wir haben unser Eigenmarken-Portfolio um weitere Feinkostprodukte ausgebaut und inzwischen eine große Range an One Pots, so nennen wir unsere kühlpflichtigen Eintopfgerichte im Glas. Außerdem habe ich mit meiner Partnerin Sarah Schweizer unser neues Unternehmen Kulinarik Kiste gegründet. Wir verschicken seit Januar wöchentlich kulinarische Genusspakete in verschiedenen Varianten. Wir kochen am Wochenanfang, verpacken am Mittwoch und versenden deutschlandweit. Die Komponenten in der Kiste können in wenigen Minuten zu leckeren, anspruchsvollen Gerichten finalisiert werden.
Sind Kulinarik Kiste und Co. jetzt, wo die Gastronomie ja wieder bundesweit geöffnet ist, überhaupt noch aktuell?
Antoniewicz: Viele Menschen, die gutes Essen schätzen und unsere Angebote im Lockdown kennengelernt haben, nutzen sie auch weiterhin. Wir verstehen unser Portfolio als eine Ergänzung zum gastronomischen Angebot. Unsere One Pots zum Beispiel sind Komplett-Mahlzeiten mit und ohne Fleisch, in denen alles drin ist, was der Körper braucht. Sie sind salzreduziert, ohne Zwiebel und Knoblauch, eben ein gesundes, aromatisches Essen für zu Hause oder am Arbeitsplatz. Wir verkaufen die One Pots über unsere Website sowie verschiedene Partner wie z.B. Bos Food, Feinkost- und Lebensmittelgeschäfte.
Das klingt nach einem ganz anderen Leben wie vor der Pandemie, als Sie viel unterwegs und als Trainer und Berater hoch begehrt waren? Stehen Sie jetzt wieder mehr am Herd und in der Produktion?
Antoniewicz: Ja, es ist schon ungewöhnlich, dass ich sieben Tage die Woche an einem Ort bin. Doch es ist nicht so, dass ich im Produktionsalltag gefangen wäre. Unsere One Pots und andere Produkte werden von verschiedenen professionellen Partnern nach unseren Rezepten aus vorgegebenen Zutaten produziert. Das erlaubt es mir nicht nur, mich wieder mehr auf mein bekanntes Tagesgeschäft zu konzentrieren, sondern ermöglicht auch die Herstellung größerer Mengen. Nicht zuletzt sorgen die Partner dank ihrer Spezialisierung für eine optimale Produktsicherheit, inklusive aller erforderlichen Zertifikate.
Wie sehen Ihre Pläne aus – sind Sie auf dem Weg zurück in ihr altes Leben?
Antoniewicz: Vor der Pandemie habe ich viel Zeit im Auto verbracht. Ich habe es gemocht, aber ich bin nicht sicher, ob ich das in dem Umfang wie früher weitermachen will oder die Schwerpunkte meiner Arbeit verlagere. Vielleicht in eine neue, professionelle Küche an unserem Firmensitz in Werne. In unserem Büro hängt ein Spruch an der Wand: „Weniger ist mehr“. Wachstum ist nicht alles – man muss gesund bleiben, persönlich, aber auch geschäftlich. Wieviele Unternehmen sind auf Wachstum ausgelegt, ohne drüber nachzudenken, ob ihnen das gut tut?
Zahlreiche Unternehmen, die vor der Pandemie auf Wachstumskurs waren, backen jetzt kleinere Brötchen. Fürchten Sie, dass es in der Gastronomie-Branche viele Pleiten geben wird?
Antoniewicz: Das kann ich nicht im Detail beurteilen, ich hoffe aber, dass es möglichst viele schaffen, am Markt zu bleiben. Den Engagierten und Ambitionierten wird das gelingen. Sie haben nicht aufgesteckt, sondern waren weiterhin aktiv und kreativ. Wer sich im Lockdown zurückgelehnt hat, weil er dachte, dass er eh nichts machen kann, hat vielleicht den Anschluss verpasst und schafft den Restart nicht.
Was können Gastronomen jetzt falsch machen?
Antoniewicz: Das Schlimmste ist Angst vor Veränderung. Jetzt hat die Gastronomie die Chance, mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit zu bekommen, weil jeder froh ist, wieder essen gehen zu können. Nun ist auch der richtige Zeitpunkt, um Konzepte anzupassen oder endlich die Preise für das Essen zu nehmen, die man braucht, um wirtschaftlich zu arbeiten. Das kann zur Folge haben, dass der eine oder andere Gast wegbleibt und man weniger Geschäft hat, aber vielleicht geht ja die Rechnung durch den höheren Umsatz mit weniger Gästen trotzdem auf. Und wenn der eine Gast weg bleibt, weil er das Bekannte vermisst, kommt vielleicht ein anderer, der findet, was er gesucht hat. Es kann dem Betrieb auch gut tun, mal andere Gäste zu haben.
Gibt es weitere Unbekannte auf dem Weg zurück in die Normalität?
Antoniewicz: Jeder Gastronom muss sich nun fragen, wie es ihm gelingt, das Team im Boot zu behalten. Mitarbeiter*innen haben im Lockdown etwas kennengelernt, was sie vorher nicht hatten: Freizeit. Wenn es jetzt wieder voll los geht, wird manche/r darüber nachdenken, ob man dabei bleibt. Ich hoffe, dass möglichst viele Mitarbeiter der Branche erhalten bleiben bzw. Arbeitgeber sich Gedanken gemacht haben, wie sie ihr Team bei der Stange halten. Ob Vier-Tage-Woche, ein Zwei-Schichten-System, wenn mittags und abends geöffnet ist, oder Schließtage am Wochenende – es gibt viele Wege, um Mitarbeitenden mit neuen Arbeitszeitmodellen entgegenzukommen.
Was werden die nächsten großen Themen für die Branche sein, wenn die Pandemie unter Kontrolle ist?
Antoniewicz: Wir müssen künftig noch viel bewusster mit dem Thema Essen umgehen und Herkunft und Erzeugung unserer Lebensmittel detailliert hinterfragen. Transportwege müssen kürzer werden, und es gilt mit Nachdruck daran zu arbeiten, Plastik und Verpackung zu vermeiden. Der sorgsame Umgang mit und der Schutz unserer Ressourcen ist das große Zukunftsthema. Die Devise: Weg vom ethischen Denken, hin zum ethischen Handeln!
Interview: Sabine Romeis
Fotos: Antoniewicz GmbH