Open Fire Cooking
Feuer, Rauch und Glut
Das Kochen am offenen Feuer begeistert die innovationsdurstige Foodie-Szene quer durch Deutschland. Ein Vorreiter bei der Inszenierung dieser wiederentdeckten spektakulären Kochtechnik ist Tobias Beck aus Berlin. Er lernte die Grundlagen bei Francis Mallmann in Argentinien
Schon in der Steinzeit garten Jäger und Sammler ihre Speisen über Feuer und nutzten die Glut zum Backen. Die wahrscheinlich älteste Garmethode der Menschheit avanciert gerade zu einem der heißesten Gastro-Trends der Neuzeit. Open Fire Cooking begeistert die innovationsdurstige Foodie-Szene quer durch Deutschland. Ein Vorreiter bei der Inszenierung dieser wiederentdeckten spektakulären Kochtechnik ist Tobias Beck. Der passionierte Feuerkoch gründete 2021 das Konzept Ember OFC in Berlin.
Die Geschäftsidee: Dinner-Events an außergewöhnlichen Pop-up-Locations in der Stadt. Tobias Beck und sein Team kochten schon für jeweils drei Monate in einem ehemaligen Schulhof inmitten von alten Backsteinen, auf dem Dach einer Radiostation oder am Ufer eines Sees unter Bäumen. Seit 2023 hat Ember OFC nun einen festen Standort auf einer Dachterrasse mit gläsernem Aufbau mitten im quirligen Stadtteil Kreuzberg. Im Hybrid aus Event-Location und Restaurant können rund 40 Gäste zweimal wöchentlich unter schützendem Glas an einer langen Tafel ein OFC-Dinner genießen, während draußen auf der Dachterrasse die Kochflammen lodern und die Glut glimmt.
Burned Cheesecake aus dem Holzkohleofen
Schon die Vorspeisen zeigen, dass es beim Open Fire Cooking nicht unbedingt deftig zugehen muss. Serviert wird u.a. Gegrillter Spinat mit aufgeschlagenem Hechtrogen und Haselnuss, Geflammter Spargel mit Szechuanpfeffer und Kerbel oder Miesmuschel-Escabeche mit Blutorange. Als Hauptgänge an die lange Tafel kommen zum Beispiel Wood fired Chicken mit gebratenen Kapern und Yuzu, Fischstäbchen Jerk Style oder Geflammter Lauch mit Romescosoße und Mandeln. Einen der beliebtesten Signature Dishes von Tobias Beck gibt es zum Dessert: Burned Cheesecake aus dem Holzkohleofen mit schwarzem Johannisbeerholzöl.
Das Überraschende für OFC-Neulinge: Alles ist auf den Punkt gegart, und kein Gericht wird von den Raucharomen des Feuers dominiert. Das Spiel mit Feuer, Rauch und Glut zieht sich durchs ganze Menü, ohne vorherrschend zu sein. Die Speisen haben eine delikate Würze, oft ganz ohne die Beigabe von Salz. Für die Raffinesse beim Dessert sorgen beispielsweise Effekte wie mit Kirschholz leicht geräucherte Sahne. Wie gelingt es, auf einem urgewaltigen Element wie dem Feuer so filigran zu kochen? „Grillen bedeutet zwar Einfachheit, doch mit etwas Fingerspitzengefühl können aus der schönen Zucchini von unserem Landwirt perfekte Genüsse entstehen“, sagt Tobias Beck. Seine Mission ist klar: „Ich will aufräumen mit dem Vorurteil, Open Fire Cooking sei ein Männerding mit Rundgrill, lustiger Schürze und mariniertem Nackensteak.“
Viele Experimente und auch Misserfolge
Der 31jährige sammelte Erfahrung in der Sternegastronomie. Seiner Zeit in der detailverliebten Küche trauert er heute nicht nach. „Für mich ist ein Drei-Komponenten-Teller viel aufregender, weil man sich als Koch dahinter nicht verstecken kann.“ Die Kunst des Kochens mit Feuer perfekt zu beherrschen, war für ihn ein langer Weg mit vielen Experimenten und auch Misserfolgen: „Ich habe viele Produkte verbrannt und oft auch meine eigenen Finger, bis ich dort ankam, wo ich hinwollte.“
„Ich habe viele Produkte verbrannt und oft auch meine eigenen Finger, bis ich dort ankam, wo ich hinwollte.“
Tobias Beck, Gründer & Küchenchef, Ember OFC, Berlin
Tobias Beck ist Autodidakt und hat Internationales Management studiert. Seine private Kochleidenschaft führte ihn in die ZDF-Spielshow „Die Küchenschlacht“. Der Hobbykoch gewann und bekam so die Chance zum Praktikum im legendären Restaurant Noma in Kopenhagen. Die Zeit dort stellte die Weichen für seinen weiteren Werdegang als Koch: Auf zwei Jahre im Berliner Gourmetrestaurant Ernst folgten Stationen in Japan und Mexiko, bis er bei Francis Mallmann in Argentinien schließlich das lernte, was Gauchos seit Urzeiten praktizieren: das Kochen mit Feuer und Glut. Francis Mallmann wurde durch sein Open-Fire-Cooking-Spektakel in der Netflix-Serie „Chefs Table“ weltberühmt, seine Feuer-Setups vor der majestätischen Naturkulisse Patagoniens und in New Yorks Straßenschluchten sind legendär.
In Berlin und auf Wunsch deutschlandweit
Schon am zweiten Tag bei Francis Mallmann entfachte Tobias Beck selbst das Feuer und spannte Lämmer auf den Spieß. Er lernte von Francis Mallmann, adaptierte sein Konzept und transferierte es in die Moderne. Essen an besonderen Orten, mit Speisen vom offenen Feuer – das begeistert Menschen auf der ganzen Welt, und mit diesem Konzept begeistert Tobias Beck seine Gäste inzwischen in Berlin und auf Wunsch deutschlandweit. Beim Open Fire Cooking startet jeder Tag mit Holz und seiner richtigen Positionierung in der Feuerstelle. Tobias Beck entzündet das Holz und beobachtet, wie die Flammen wachsen und sich ausbreiten. Als Brennholz und um Kohle zu produzieren nutzt er Buchenholz. Zum Einsatz kommen aber auch Kirsch- und Apfelgehölze sowie Heu und junge Fichtentriebe, die er zum Räuchern oder angekohlt einsetzt, um Milchprodukte und Getränke zu aromatisieren. Während sich das Feuer langsam in Glut verwandelt, beginnt das Mise en place. Parallel muss jedoch die Feuerstelle fortwährend kontrolliert werden. Es wäre fatal, wenn Feuer und Glut während des Kochens an Kraft verlieren oder gar erlöschen würden. Kurz: Open Fire Cooking verlangt ein intensives Mikromanagement.
Garvorrichtung nach argentinischem Vorbild
Als Equipment nutzt der Feuerkoch einen Holzfeuer-Pizzaofen zum Backen oder Rösten sowie zwei japanische Yakitori-Grills, um Lebensmittel schnell und intensiv, aber präzise zu grillen. Hinzu kommt noch eine mobile, eigens für ihn gebaute Garvorrichtung nach argentinischem Vorbild, mit der auf verschiedenen Ebenen Räuchern, Grillen, Flämmen usw. möglich ist. Und es gibt auch einen Feuerturm. „Oben füllen wir Holz hinein und unten kommt aufgrund der hohen Luftzufuhr sehr schnell glühende Holzkohle für unseren großen Grill heraus“, erläutert Tobias Beck. Ein Elektroherd und ein Elektroofen, beispielsweise zum Temperieren, ergänzen die Ausstattung.
„Beim Open Fire Cooking können wir alles wie in einer normalen Profiküche zubereiten“, betont der 31jährige. „Wir gehen auf Unverträglichkeiten der Gäste ein, garen Langzeit oder bringen sensible Produkte im Wasserdampf auf den Punkt.“ Dazu wird ein Blech mit Wasser in die Glut gestellt und obenauf ein Dämpfkorb platziert.
Mit seinem Team kocht er nicht nur in seiner Location in Berlin-Kreuzberg, sondern realisiert auch weiterhin OFC-Dinner an besonderen Orten. „Wir können bis zu 250 Personen am offenen Feuer bekochen“, sagt Tobias Beck. Vieles geschieht dabei à la minute, doch einiges ist vorbereitet, zum Beispiel Backwaren und Soßen. Köchinnen und Köchen, die selbst ins Open Fire Cooking einsteigen wollen, empfiehlt der Experte, zunächst das Grillen mit Gas oder Holzkohle zu variieren. „Verschiedene Fleisch-Cuts ausprobieren, mit Gemüse experimentieren oder die türkische Länderküche mit Lammrippchen, Köfte und Adana-Kebab zu entdecken: Damit fängt man am besten an, bevor man sich dann ans große Feuer wagt.“
Text: Cornelia Liederbach
Fotos: Ember OFC