Comeback für Spargel
Comeback für Spargel
Nach der miesen letztjährigen Saison blicken die deutschen Spargelbauern optimistisch auf die aktuelle Erntezeit. Und Küchenchefs wie Matthias Walter feiern den König der Gemüse
Bodo Mönich vergleicht seinen Spargelhof gerne mit einem Formel 1-Rennstall: „Wenn der Startschuss für die Ernte fällt, ist der größte Stress bereits vorüber. Gerade die Vorbereitungen für jede Spargelsaison haben es in sich.“ Jetzt ist die Ernte angelaufen, und Bodo Mönich kann sich beruhigt zurücklehnen. Seine Erntehelfer hat er unter Vertrag, die Arbeitspläne stehen, und der Abverkauf in den zahlreichen Verkaufsstellen ist organisiert und terminiert. Die Rückstandsanalysen, die in jedem Frühjahr auf den 125 Hektar großen Spargelfeldern gemacht werden, ergaben keine Beanstandung; sprich: Die königlichen Stangen sind frei von chemischen Rückständen. Ende März hat der Spargelverkauf im Spargelhof Mönich im hessischen Griesheim begonnen. „Mit 300 bis 600 Kilogramm täglich ernteten wir Ende März noch kleine Mengen“, schränkt Bodo Mönich ein. „In den nächsten Wochen wird die Erntemenge um ein Vielfaches höher sein.“
Von Krisenstimmung ist bei Bodo Mönich nichts zu spüren; und das trotz gestiegener Energie- und Düngerpreise, trotz höherer Mindestlöhne (12 Euro statt ehemals 10,45 Euro pro Stunde), die er nun an seine Erntehelfer zahlen muss. Dass die Bauern wie im vergangenen Jahr auf Teilen ihrer Spargelernte sitzen bleiben, glaubt er nicht. „Es ist Frühling. Die Menschen streifen ihre schlechte Laune ab, wollen wieder genießen und auch Geld dafür ausgeben“, stellt er fest. „Von ihrem Wunsch, sich etwas Gutes zu gönnen, profitiert auch der deutsche Spargel.“ Im Zuge der Inflation wird er wahrscheinlich „moderat“ teurer werden müssen. „Aber wir wollen die Käufer nicht verschrecken und starten mit Preisen wie im Vorjahr in die neue Saison.“
Das freut Matthias Walter, der sich mit seinem Team von MWalter Sehen – Staunen – Schmecken in Bad Überkingen auf den Spargel freut: „Unsere Gäste und die Kochkursteilnehmer scharren förmlich mit den Hufen. Der erste Spargel – das ist immer etwas ganz Besonderes.“ Das Auftakt-Spargelevent findet im Partnerbetrieb Traube Grunbach in Remshalden statt. Auf der Karte stehen Badischer Spargel mit Sauce hollandaise, Medaillon vom Schwäbisch Hällischen Landschwein, neuen Kartoffeln und Kräuterflädle.
„Der erste Spargel ist immer etwas ganz Besonderes.“
Matthias Walter, MWalter Sehen – Staunen – Schmecken, Bad Überkingen
„Der Spargel-Klassiker mit Qualitätsprodukten aus der unmittelbaren Heimat – das ist immer noch ein Garant für ein volles Haus“, sagt Matthias Walter. Darf’s nicht etwas mutiger, etwas moderner sein? Ja klar, sagt Matthias Walter. „Die ältere Generation hält es vielleicht lieber klassisch, der 25jährige Kochkursteilnehmer mag dagegen den Spargel auf seiner Pinsa oder karamellisiert in einem Salat mit Erdbeeren.“ In seinen Kochkursen oder bei speziellen Themenabenden zeigt der Küchenmeister und Unternehmer, wie wandelbar das Edelgemüse ist: beispielsweise mit Ziegenkäse und karamellisiertem Pfirsich auf dem Grill gegart und mit einem aromatischen Finish aus Pinienkernen, Estragon oder Sauerampfer-Pesto. „Man kann den Spargel auch phantastisch in einer Bowl anrichten, zusammen mit Erdbeeren, Haselnüssen, Kartoffeln, Linsen, Radieschen und Bärlauch.“ Selbst im Dessertbereich punktet er mit dem Saisongemüse: beispielsweise, wenn die Stangen in Tempura-Teig gebacken oder karamellisiert im Zusammenspiel mit Joghurt, Erdbeere und Himbeere werden. Statt klassisch mit Sauce hollandaise oder geschmolzener Butter schmeckt Spargel also auch in ungewöhnlichen Kombinationen. Für einen asiatischen Akzent sorgen Sojasoße, Knoblauch, geriebener Ingwer, Worcestershiresoße, Sesamöl und Sesamsamen. Kokosmilch, Currypaste, Chili und Limette verleihen exotischen Pfiff. Matthias Walter: „Jetzt muss der deutsche Spargel nur noch etwas günstiger werden, dann geht’s für uns Köche richtig los.“
Etwa 20 bis 30 Prozent der Gesamtproduktion des deutschen Spargels werden in der Gastronomie verkauft. Viele Restaurants offerieren ihren Gästen in der Spargelzeit sogar Extra-Karten; eine solche Aufmerksamkeit erfährt kein anderes Gemüse. „Der deutsche Spargel ist hierzulande das letzte verbliebene Saisongemüse“, betont Fred Eickhorst, Geschäftsführer und Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen in Sandhatten bei Oldenburg. „Alles andere ist inzwischen rund ums Jahr erhältlich.“ Die begrenzte Verfügbarkeit von Spargel steigere die Begehrlichkeit, die Konsumbereitschaft nehme wieder zu. Fred Eickhorst glaubt fest daran, dass es für die Spargelbauern in diesem Jahr besser laufen wird als 2022. Da wurden nur rund 113 100 Tonnen erzeugt, die Erntemenge blieb unter Vorjahresniveau. Viele Bauern hatten Spargelflächen frühzeitig aus der Ernte genommen, um die Mengen am Markt zu reduzieren. „Die negativen Meldungen haben den Kunden verunsichert. Krieg, Inflation, steigende Preise – diese Negativspirale sorgte für eine Kaufzurückhaltung“, sagt Fred Eickhorst. Nun, wo die Inflation doch nicht auf zehn Prozent geklettert ist und die Sprit- und Energiepreise wieder sinken, erlaubt sich die Branche vorsichtigen Optimismus. Dennoch sei davon auszugehen, dass infolge des Nachfrageeinbruchs 2022 die Anbauflächen in diesem Jahr um 10 bis 15 Prozent geringer sind.
Die deutschen Spargelbauern stehen vor der Herausforderung, dass der Spargel nicht oder nur unwesentlich teuer werden darf. Die (billigere) Konkurrenz aus dem Ausland drückt die Preise, doch alle deutschen Bauern sind sich einig, dass sie ihren Spargel nicht verramschen wollen. „Entweder ich ernte und verkaufe zum angemessenen Preis, oder der Spargel bleibt auf den Feldern“, betont Bodo Mönich stellvertretend für seine Branche. Die Landwirte müssen an allen Kostenschrauben drehen, um nicht zuletzt die Mehrkosten für den gestiegenen Mindestlohn der Erntehelfer zu kompensieren. Dies soll mit Einsparungen, effizienteren Arbeitsprozessen und Mechanisierung gelingen.
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen erprobt bereits Anbaumethoden, um den Maschineneinsatz in der Ernte zu erleichtern. Die Technik ist noch nicht ausgereift, die Ergebnisse bisher unbefriedigend. Ernteroboter, die genauer arbeiten, sind hingegen sehr teuer. Die Sorge, nicht genügend Erntehelfer zu finden, scheint immerhin in diesem Jahr unbegründet. „Höhere Mindestlöhne als Deutschland werden europaweit nur noch in Luxemburg gezahlt“, weiß Bodo Mönich. „Das führt dazu, dass die Ernte-helfer wieder gerne zu uns kommen.“
Das bundesweit agierende Netzwerk der Spargel- und Beerenanbauer arbeitet gerade an einer großen Werbekampagne für 2024. Die deutschen Spargelbauern möchten über ihre Arbeit und ihr Qualitätsverständnis informieren. Es geht u.a. darum, die Vorzüge des deutschen, regionalen Spargels gegenüber dem billigeren Konkurrenzprodukt aus dem Ausland hervorzuheben. Ferner sollen jüngere Käuferschichten gewonnen, der deutsche Spargel als wandelbares Trendgemüse inszeniert werden. Ob mariniert oder gegrillt, ob im Salat oder in der Bowl – der Spargel bietet bei der Zubereitung eine Fülle an Möglichkeiten. Die verschiedenen Sortierungen machen das Gemüse darüber hinaus für jeden Geldbeutel erschwinglich. Mit dem DEHOGA wird am 5. Mai erstmals der „Tag des Deutschen Spargels“ ausgerufen.
Text: Cornelia Liederbach
Fotos: MWalter