Alternative zum Original
Foie Gras von glücklichen Tieren
Darf man Stopfleber überhaupt noch auf die Karte setzen? Eine Alternative ist Happy Foie Gras: Dafür wird die Leber von artgerecht aufgewachsenen, ungestopften Tieren nachträglich „aufgefettet“
Schon vor über 5000 Jahren fütterten die Ägypter Gänse mit Honig, um sie schneller fett zu machen. Das Fleisch der Tiere schmeckte dann besser, vor allem die Leber. Die Tatsache, dass Gänse – genetisch bedingt – gern fressen, um für ihren Winterflug gerüstet zu sein, kam ihnen dabei entgegen. Heute werden weltweit jährlich 20 000 Tonnen Foie gras produziert, der Markt ist rund 1,2 Milliarden Dollar schwer. Dafür werden jährlich Millionen Gänse und Enten unter oft quälerischen Bedingungen zwangsgefüttert. 75 Prozent der Weltproduktion kommt aus Frankreich, wo die Stopfleber im Jahr 2005 zum nationalen und gastronomischen Kulturerbe erklärt wurde.
Achtfach größer als das natürliche Organ
Das Stopfen der Gänse und Enten erfolgt in der industriellen Massenproduktion maschinell. Dabei wird den Tieren in den letzten 16 bis 21 Tagen ihres Lebens täglich ein langes Metallrohr in den Hals eingeführt und 800 bis 1000 Gramm Maisbrei in den Magen gepumpt. Auch bäuerliche Betriebe mästen ihre Tiere auf diese Weise, wenngleich von Hand. Durch dieses höchst umstrittene Verfahren bilden Gänse und Enten eine Fettleber aus, die um das Achtfache größer sein kann als das natürliche Organ. Einige Nischenerzeuger, etwa in Italien und Spanien, verzichten auf das Stopfen. Sie füttern den Gänsen Eicheln oder Feigen und nutzen deren natürlichen Instinkt, sich vor dem Flug in die Überwinterungsgebiete (freiwillig) vollzufressen. Wenn zusätzlich die Bewegung der Tiere eingeschränkt wird, entsteht ebenfalls eine – wenn auch kleinere – Fettleber.
Die konventionelle Foie gras basiert auf einem krankhaft vergrößerten Organ, und das Stopfen ist Tierquälerei, sagen Deutschland und weitere 15 Mitgliedsstaaten der EU. Sie verbieten aus Tierschutzgründen die Produktion von Stopfleber – Import und Verkauf sind jedoch zugelassen. Das Wissen um die Herstellung bringt auch immer mehr Köchinnen und Köche hierzulande ins Grübeln. Stopfleber hat zwar traditionell ihren Platz in der Spitzenküche, aber darf man sie aus ethischen Gründen überhaupt noch anbieten?
„In Geschmack und Textur steht unser Produkt einer hochwertigen Bloc Foie gras in nichts nach.“
Tobias Sudhoff, Erfinder Happy Foie Gras
Vor dieser Frage stand auch Tobias Sudhoff. Der Koch und Foodexperte ist Gründungsmitglied im Kompetenzteam des food lab muenster. 2018/19 war er Küchenchef des Michelin-besternten Restaurants Westfälische Stube im Parkhotel Surenburg und sagt: „Auch ich liebe den fantastischen Geschmack und die vielseitige Verwendbarkeit von Stopfleber, vertrat aber schon immer die Meinung, dass das damit verbundene Leid der Tiere ethisch völlig unvertretbar ist. So kam mir 2016 die Idee, das gleiche Geschmackserlebnis ohne Tierleid zu entwickeln, quasi eine Stopfleber, für die Tiere nicht mit Futter gestopft werden müssen.“
Nach Monaten des Experimentierens im food lab-Labor hatte Tobias Sudhoff schließlich ein Produkt, das schmeckt wie eine Bloc Foie gras, für das aber kein Tier mehr zwangsgefüttert werden muss. Der Trick: Die Lebern von artgerecht in Europa gezogenen Tieren von bio-zertifizierten Zuchtbetrieben werden in einem speziellen Herstellungsprozess nachträglich „aufgefettet“. Alles in allem ein kompliziertes Verfahren, bei dem Temperaturen und damit einhergehende chemische und physikalische Prozesse eine Rolle spielen. Mehr will Tobias Sudhoff nicht verraten. Betriebsgeheimnis. „In Geschmack und Textur steht unser Produkt einer hochwertigen Bloc Foie gras in nichts nach“, betont er. Eine Meinung, die auch andere Spitzenköche teilen, die seine ethisch korrekte Happy Foie Gras verkostet haben. Weitere Blindverkostungen im Sensoriklabor der Hochschule bestätigten, dass sich das Produkt auf einer Stufe mit konventionellen Spitzenprodukten aus Frankreich befindet.
Mit seinem alten Schulfreund Dirk Luttermann fand Tobias Sudhoff im Dezember 2018 einen Geschäftspartner für die professionelle Vermarktung seiner Innovation. Vom Startup EthicLine in Hannover können Gastronomen, Händler und Endverbraucher nun die Happy Foie Gras in den Varianten Gans, Ente und Geflügel beziehen. Produziert wird in Nordrhein-Westfalen. Das Geschäft läuft gut, trotz Corona und geschlossener Gastronomie-Betriebe. „Wir haben täglich viele Anfragen von Bio-Großhändlern und Endkunden. Im Lockdown fällt der Restaurantbesuch weg, dafür gönnt man sich was Feines im privaten Rahmen“, berichtet Dirk Luttermann. Keine Frage: Die Zeit ist reif, das Thema Stopfleber in der Profiküche neu zu denken.
Text: Cornelia Liederbach
Fotos: Happy Foie Gras