Falkenstein
Genuss auf dem Gipfel
In 1268 Metern Höhe im Ostallgäu, direkt an der Grenze zu Tirol, kocht einer der jüngsten Sterneköche Deutschlands. Simon Schlachter macht aus dem Burghotel Falkenstein einen Geheimtipp für Feinschmecker und begeistert mit seiner Royal Fine Cuisine im Tagesrestaurant genauso wie im Gourmetrestaurant Pavo
Wer das Burghotel Falkenstein schon vor dem großen Umbau gekannt hat und nun – nach der „Verschönerungskur“ – wieder hier zu Gast ist, reibt sich verwundert die Augen. Wenn man den Eingang passiert und vorbei an der ebenfalls neu gestalteten Rezeption in den Restaurantbereich geht, glaubt man im ersten Moment, ganz woanders zu sein – so gut ist der Familie Schlachter die Verwandlung ihres Falkenstein gelungen. Nur der grandiose Ausblick durch die Panoramafenster auf die Allgäuer Alpenwelt holt einen zurück: Er ist vertraut und präsentiert sich noch so malerisch und grandios wie eh und je.
Das Burghotel liegt gleich unterhalb unterhalb der hochmittelalterlichen Burgruine Falkenstein, dem unvollendeten Märchenschloss von Ludwig II. 88 Tage war das Haus Anfang 2019 für den großen Umbau der Restaurantbereiche und der Küche geschlossen. Nichts blieb wie es war. Toilettenräume wurden verlegt, um mehr Platz für die Küche und eine Vinothek zu schaffen. Statt eines einzigen großen Gastraums wurden verschiedene Stuben, Zimmer und Nischen mit viel Atmosphäre geschaffen, sodass selbst bei einer hoher Belegung des Hauses nie das Gefühl von „Bahnhofsatmosphöre“ aufkommt. Das Design und die Ausstattung sind individuell und hochwertig. Obwohl relativ viel Holz verbaut wurde, kommt nie eine klassische Alpenromantik auf. So, wie sich der Restaurantbereich jetzt präsentiert, erinnert er fast an eine moderne Gastronomie in einer Großstadt oder in südlichen Gefilden: Insbesondere, wenn man auf den bequemen Hochstühlen an der Bar mit vielen Holzelementen und den farbenfrohen Bodenfließen Platz nimmt, fühlt man sich fast wie im Kurzurlaub in Italien.
Vier Millionen Euro hat die Familie Schlachter in die neue Restaurantlandschaft, die Rezeption mit Empfangsbereich, den Weinstollen, den neuen Seminar-/Eventraum, sieben neue Zimmer sowie die außergewöhnliche Küche investiert. Viel Geld, das aber gut und richtig investiert ist, denn das Ergebnis führt das Burghotel Falkenstein in eine neue Ära. Die wurde bereits eingeleitet, als der damals frisch gebackene Küchenmeister Simon Schlachter, eines von drei Geschwistern, nach umfangreicher Erfahrung in Sterneküchen in Deutschland und der Schweiz vor über zweieinhalb Jahren zurück auf den Falkenstein kam. Er löste seinen Vater Toni in der Verantwortung für die Küche ab und führt das Team aus bewährten und neuen Mitarbeitern und seinem Stellvertreter Walter Jung mit hoher fachlicher Souveränität und vielen neuen Ideen.
Auf die Teller kommt eine raffinierte internationale Kreativküche auf hohem Niveau, die viele regionale Produkte mit internationalen Einflüssen, vor allem auch aus dem asiatischen Raum, kombiniert. Die Gerichte sind in ihrer Ausführung reduziert, klar und fein ausbalanciert; Produkte und Handwerk stehen im Fokus. Simon Schlachter begeistert mit seinem ausgeprägten Qualitätsbewusstsein und seinem sicheren Gespür für Geschmack. Er versucht, seinen Gerichten immer das gewisse Etwas zu verleihen und kombiniert auf dem Teller gerne roh marinierte und eingekochte Komponenten, erfrischende und knusprige Bestandteile ebenso wie Fruchtigkeit und Säure.
Schon mit 15 verließ er nach einer Bilderbuch-Kindheit den Falkenstein, um im Hotel Königshof in München Koch zu lernen. Dabei stand für ihn von Anfang an fest, dass er nach intensiven Lehr- und Wanderjahren wieder nach Hause zurück kommt. Simon Schlachter hat auf seinen Stationen nicht nur die klassische, sondern auch die moderne und avantgardistische Küche kennengelernt. Er war bei Ein-, Zwei- und Drei-Sterne-Köchen und überall das für ihn Beste mitgenommen. Trotzdem ist er ein Mensch mit Bodenhaftung und Fachmann durch und durch, der bei aller Kreativität stets die Wirtschaftlichkeit voll mit im Blick hat.
Bereits vor dem Umbau kochte er auf Gourmetniveau (16 Punkte Gault & Millau), und verantwortet nebenbei auch die Mittagskarte mit eher deftig-bodenständigen Gerichten für Wanderer und Ausflügler auf dem Falkenstein. Er ist sich für nichts zu schade, übernimmt auch schon mal das Kuchenbacken fürs Kaffeegeschäft, wenn Not am Mann ist. Kompromissloses Teamwork, über die eigentliche Postenverantwortung hinaus, verlangt er auch von seinen Teammitgliedern. Simon Schlachter ist ein sehr strukturierter Koch, der sich durch Organisationstalent auszeichnet und und auf optimale Vorbereitung setzt. „80 Prozent des Mise en place sind vor dem Servicebeginn fertig, sonst könnten wir unser hohes Pensum gar nicht schaffen.“
Mit der Wiedereröffnung des neuen Falkenstein feierte das Zweitrestaurant Pavo seine Premiere. Hier steht das gemeinsame Genusserlebnis und das Probieren verschiedenster Gerichte im Sharing-Charakter im Mittelpunkt. Es gibt nur ein Menü, die facettenreichen Gerichte werden in angenehmen Größen auf eigens für das Pavo entworfenen Tellern und Schälchen serviert. Das Konzept steht für die Neuinterpretationen von Altbewährtem in moderner Art und Weise und wurde bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. „Der Stern war von uns überhaupt nicht angedacht“, sagt Simon Schlachter, der die Sharing-Philosophie während seiner Zeit bei Silvio Germann im Igniv by Andreas Caminada in Bad Ragaz kennengelernt hat.
Pavo ist thailändisch und heißt übersetzt Pfau. Der Pfau war das Lieblingstier von König Ludwig II., dessen Geist immer irgendwie über dem Burghotel Falkenstein zu schweben scheint. Königlich, farbenprächtig und grazil wie das Federvieh sind auch die Kreationen auf den Tellern. Simon Schlachter erinnert sich noch genau an den Moment, als er seinem Team von seiner Idee für das Pavo erzählte: „Am Anfang haben mich alle für verrückt erklärt und gefragt, wie wir denn nun auch noch ein Gourmet-Menü neben dem à la carte schicken sollen!“ Am Anfang stand die Idee, ein besonderes Konzept für das Allgäu zu entwickeln. „Ich wollte kein klassisches Gourmet-Restaurant, sondern etwas machen, das uns Spass macht, den Gästen Spass macht – und nicht zuletzt auch junge Leute anzieht“, berichtet Simon Schlachter. Es gibt nur ein Menü, und auf den Tisch kommen keine typischen Tellergerichte, sondern stets Variationen. Zum Beispiel fünf kleine Vorspeisen zum Teilen oder ein Hauptgang, der in verschiedenen Ableitungen von einem Produkt daher kommt: zum Beispiel von der Alten Kuh: das Filet kurzgebraten, die Bäckchen geschmort, dazu Tatar und Schinken.
Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis das Gesamtkonzept des Pavo fertig war – „Inszenierung, Rezepte, Karten, Geschirr, Gläser, Besteck – alles sollte sich abheben vom normalen Restaurant“, erzählt Simon Schlachter. Das Pavo Menü wird an vier Abenden in der Woche geschickt. Abende mit über 50 Couverts, davon 15 im Pavo, sind die Normalität. Das Konzept geht auf, das Pavo ist fast immer ausgebucht. Als nächstes ist der Umzug vom bisherigen Raum ins größere Wolkenzimmer geplant.
Simon Schlachter
hat bei Martin Fauster im Hotel Königshof in München seine Ausbildung absolviert und anschließend bei weiteren bekannten Köchen gearbeitet: Ali Güngörmüs, Le canard in Hamburg (1 Michelin Stern), Heiko Nieder, 5-Sterne-Hotel Dolder Grand in Zürich/Schweiz (2 Michelin Sterne), Dirk Hoberg, Restaurant Ophelia in Konstanz (2 Michelin Sterne). Eine für ihn sehr prägende Zeit verbrachte er bei Andreas Caminada im Schloss Schauenstein in Fürstenau (3 Michelin Sterne) und bei Silvio Germann im Igniv by Andreas Caminada in Bad Ragaz (damals 1 Michelin Stern), beide Schweiz. An der Hotelfachschule Heidelberg schloss er als Küchenmeister und Staatlich geprüfter Gastronom ab. Heute leitet er die Küche im Familienbetrieb, dem Burghotel Falkenstein, und hat den Begriff der „Royal Fine Cuisine“ neu definiert.
Text: Sabine Romeis
Fotos: André Schönherr/Burghotel Falkenstein, FHE Franke