Berufsbekleidung

Wie Berufsmode nachhaltig(er) wird

Immer mehr Köche*innen kaufen regional und fairtrade ein, setzen auf Bio und mehr Tierwohl sowie ihren CO2-Fußabdruck. Da ist es nur konsequent, auch bei Berufskleidung auf die Umwelt zu achten

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Joachim Gantert bricht eine Lanze für das Naturprodukt: „Mein Favorit
für Berufskleidung in der Profiküche ist reine Baumwolle, und wenn zertifizierte Baumwolle in Bio-Qualität verarbeitet wird, dann stimmt am Ende auch die Nachhaltigkeit“, sagt der Geschäftsführer von Berufskleidungsspezialist Ber-Bek. „Kaum ein anderes Material, das unter den in der Gastronomie notwendigen hygienischen Gesichtspunkten gereinigt und gepflegt wird, reguliert das Körperklima so perfekt wie Baumwolle.“ Hinzu kommt: Anders als synthetische Materialien ist reine Baumwolle kompostierbar und verrottet rückstandslos.

Vollständig kompostierbare Kochjacke

Dafür müssen allerdings einige weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Beispielsweise darf die Baumwoll-Kochjacke nicht mit Synthetikgarn genäht oder bestickt sein. Gerade ist Ber-Bek dabei, eine vollständig kompostierbare Kochjacke zu entwickeln. „Wir suchen ein Baumwollgarn, dass ebenso hochwertig ist und strapazierfähig in der Verarbeitung wie das Synthetikgarn“, berichtet Joachim Gantert. Keine leichte Aufgabe und nicht die einzige Herausforderung auf dem Weg zur 100 % kompostierbaren Kochjacke: Wussten Sie zum Beispiel, dass im Sinne einer einwandfreien ökologischen Kompostierung das Baumwollgewebe zuvor von etwaigen Farbstoffen und Waschmittelrückständen, die die Umwelt belasten könnten, befreit werden muss? Hinzu kommt, dass die aktuell so beliebten farbigen Kochjacken in der Regel nie aus reiner Baumwolle bestehen, sondern immer aus einem Stoff mit höherem Synthetikanteil, der für Lichtbeständigkeit und Farbechtheit sorgt. Gefärbte reine Baumwolle würde durchs Waschen nach einer gewissen Zeit verbleichen.

Ber-Bek arbeitet weiter an der Optimierung seines ökologischen Fußabdrucks. Ein wichtiges Kriterium ist bereits seit langem erfüllt: Als einer der wenigen Anbieter von Berufskleidung schneidert Ber-Bek Kochjacken & Co. noch in Deutschland, genauer in Wendisch Waren in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Großteil des Strombedarfs für die Produktion wird seit über 20 Jahren mit einer eigenen Photovoltaik-Anlage gedeckt. Zudem verzichtet Ber-Bek seit jeher auf die Plastik-Umverpackung vor Versand der produzierten Artikel. In der Schneiderei werden Stoffe aus Baumwolle und Bio-Baumwolle, Mischgewerben und recycelten Materialien verarbeitet. Zurzeit werden Zuschnittreste noch konventionell entsorgt. Bald sollen die Reste im Sinne der Nachhaltigkeit in den textilen Kreislauf zurückgeführt werden. Eine Kooperation mit einem Partnerunternehmen schafft die technischen und logistischen Voraussetzungen dafür.

Ethische Firmengrundsätze und europäische Produktionsstandards

Nachhaltigkeit ist auch bei acp collection (München) ein großes Thema, obwohl die Kunden laut Geschäftsführerin Martina Pühl-Bennewitz nachhaltige Produkte „bisher leider so gut wie nie“ nachfragen. „Wir achten nicht nur auf Qualität und ein gutes Preis-Leistung-Verhältnis, sondern auch auf ethische Firmengrundsätze und europäische Produktionsstandards.“ Das Unternehmen arbeitet nur mit Händlern und Lieferanten zusammen, die Zertifizierungen wie Standard 100 by OEKO-TEX®, Fairtrade Baumwolle, Grüner Knopf und amfori BSCI erfüllen bzw. den Organisationen angehören. Auch die Eigenproduktionen von acp collection und Martin Schmid Berufsbekleidung – die Kollektion des Traditionsunternehmens ist seit der Geschäftsaufgabe weiterhin bei acp zu beziehen – erfüllen diese Grundsätze. Das hat seinen Preis, bürgt aber auch für die Langlebigkeit der Berufsbekleidung, wie Martina Pühl-Bennewitz betont: „Kauft hochwertige, zertifizierte Stoffe und gebt lieber etwas mehr aus – dann halten die Produkte auch deutlich länger!“

Seit vergangenen Jahr bilden Stoffe mit den Zertifizierungen Grüner Knopf, Global Organic Textile Standard (GOTS) und Global Recycled Standard (GRS) die Basis für die Produktentwicklung und -fertigung bei Karlowsky Fashion (Wanzleben-Börde). „Alle großen und kleineren Hersteller werden über kurz oder lang ihr Sortiment umstellen und sich anpassen müssen, insbesondere auch, um Ausschreibungen bedienen zu können“, sagt René Lehmann, Marketing- und Projektkoordinator bei Karlowsky Fashion.

Nachhaltig muss nicht teuer sein

Berufsmodespezialist Greiff (Bamberg) setzt für die Herstellung seiner Gastro-Kollektion auf Stoffe aus nachhaltigen Rohstoffen wie Fairtrade-zertifizierte Baumwolle, Bio-Baumwolle oder recycelten Materialien. Dass nachhaltiger Kleidungsstil nicht teuer sein muss, zeigt Greiff mit seinen Basic-Kochjacken und -hosen, die mit dem Grünen Knopf zertifiziert sind. Greiff setzt sich gemeinsam mit der Fair Wear Foundation für faire Arbeitsbedingungen in seinen Produktionsstätten ein, ist Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien und Mitbegründer der Vereinigung MaxTex.

Dass die Textilbranche zunehmend nachhaltig agiert, bestätigt Harald Notz-Lajtkep, Division Manager bei Hohenstein. Das internationale Forschungs- und Dienstleistungszentrum arbeitet schwerpunktmäßig an der Entwicklung, Prüfung und Zertifizierung von textilen Produkten. „In den 70er und 80er Jahren gab es den Trend zur Produktionsauslagerung nach Asien. Nun erleben wir im Zuge des gestiegenen Nachhaltigkeitsbewusstseins eine Rückbewegung nach Europa und sogar nach Deutschland“, sagt Harald Notz-Lajtkep. „Ein positiver Trend, um nicht zuletzt Transportwege und Lieferketten ökologischer zu gestalten.“ Sein Appell an alle Hersteller, die bisher noch nicht auf den Zug aufgesprungen sind, weil sie auf EU-Normen warten: „Fangen Sie an mit der Nachhaltigkeit! Überprüfen Sie Ihre Energieverbräuche, Ihre Effizienz und Ihren Carbon- und Water-Footprint!“ Wer zudem Recycling-Materialien für die Textilproduktion nutze, sei einen zusätzlichen Schritt weiter.

Recycling von Plastikmüll aus dem Meer

Das junge Unternehmen Kaya & Kato verarbeitet seit 2019 für seine Clean Ocean-Kollektion Plastikmüll aus dem Meer. Das Plastik für die speziell für Kaya & Kato hergestellten Stoffe holen Fischer vor der Küste Spaniens als Beifang aus dem Meer. Es wird gereinigt, zu Granulat recycelt, zu Polyestergarn verarbeitet und mit natürlichen und ökologischen Fasern wie Bio-Baumwolle verwoben. Am Ende steht die ökologische Färbung der Fasern. In einem Meter Stoff sind laut Kaya & Kato 12,5 PET-Flaschen enthalten, gleichzeitig werde CO2 und Energie gespart. „Bei 1000 Metern Stoff entspricht dies den Emissionen einer
Autofahrt von 11 000 Kilometern“, sagt Dr. Stefan Rennicke, Mitgründer und Geschäfts-führer von Kaya & Kato. Im Gesamtportfolio nimmt die Clean Ocean-Kollektion inzwischen den größten Teil ein.

Das Mischgewebe aus recyceltem Polyester und Baumwolle ist bis 90 Grad waschbar. Und der Tragekomfort? Bei Temperatur- und Feuchtigkeitsregulierung bleibt das Mischgewebe klar hinter Naturfasern zurück. Dazu kommt der psychologische Aspekt: Nicht jeder Koch will sich in recycelte Plastikflaschen hüllen. Auch die Nachhaltigkeitsbilanz ist differenziert zu
betrachten: Die Kunstfaser ist nicht kompostierbar und kann nur einige Male recycelt werden, weil das Plastik ohne Zusatz von neuem PET durch den Prozess an Qualität verliert.

Interview

„Upcycling ist noch teurer, als neu zu produzieren“

Harald Notz-Lajtkep, Division Manager bei Hohenstein, über nachhaltige Textilien, Garne aus Plastikmüll in Stoffen, die Crux beim Upcycling und warum Leinen und Hanf eigentlich ideal für Kochjacken wären

Kochkleidung aus Stoffen, für die Plastikmüll verwertet wird – das hört sich ziemlich smart an. Doch wie nachhaltig ist das wirklich?

Notz-Lajtkep: Wenn aus Abfall ein neuer Rohstoff wird, ist das grundsätzlich positiv. Solange in der Plastikflasche, die geschreddert und zu Garn verarbeitet wird, Trinkwasser war, ist alles gut. Doch was ist, wenn sie zuvor Chemikalien enthielt? Wir müssen sicher gehen, dass alle enthaltenen Stoffe clean sind. Es bedarf einer Hautverträglichkeitsprüfung, zum Beispiel nach STANDARD 100 by OEKO-TEX®, für den unter anderem auf 100 Schadstoffe kontrolliert wird. Mehr Sicherheit bietet die Biokompartibilitäts-Prüfung, wie sie für medizinische Produkte wie z.B. FFP2- und OP-Masken per Gesetz vorgeschrieben ist.

Das klingt nach viel Aufwand und hohen Kosten.

Notz-Lajtkep: Abfall mittels Upcycling in neuwertige Produkte zu verwandeln, ist zurzeit noch teurer, als Ware neu zu produzieren. Auch weiß man oft nicht, wie sauber die Grundstoffe sind. Bedenkliche Stoffe gilt es zwingend aus dem Prozess herauszuhalten. Um das in naher Zukunft zu gewährleisten, sind gerade verschiedene Gremien in Deutschland und Europa dabei, rechtsverbindliche Parameter für diese Grundstoffe zu definieren und festzulegen. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, dass jedem Kunststoff überall auf der Welt schon bei der Herstellung eine eindeutige Markierung mitgegeben wird. Dann könnte man im späteren Re- bzw. Upcycling-Prozess die Stoffe genau identifizieren und ggf. auch herausfiltern.

Warum kann man nicht einfach aus alter Kleidung neue machen?

Notz-Lajtkep: Das Re- bzw. Upcycling funktioniert nur mit sortenreinen Textilien oder wenn die chemische Zusammensetzung der Stoffe einer Wiederverwertung nicht im Wege steht. Bisher kann man in den großen Altkleider-Sortieranlagen die verschiedenen Materia-lien in den Textilien nicht zuverlässig identifizieren. Technisch ist schon einiges möglich, doch noch fehlt die eindeutige Markierun der einzelnen Materialien. Es wird noch eine Weile dauern, bis ein Container Altkleidung sicher sortenrein getrennt werden kann.

Was raten Sie Köchinnen und Köchen, die sich im Job umweltbewusst und nachhaltig kleiden wollen? Ist die gute alte Baumwollkochjacke noch zeitgemäß?

Notz-Lajtkep: Wer seine Kleidung so lange wie möglich trägt, hat schon viel getan. Das von Hohenstein entwickelte Qualitätslabel Geprüfte Workwear und Corporate Fashion bietet Orientierung und stellt sicher, dass das entsprechende Kleidungsstück die höchsten Anforderungen für Berufsbekleidung erfüllt. Die Wahl von Kleidung aus Bio-Baumwolle oder recyceltem Polyestermaterial ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Was ist mit alternativen Materialien wie Hanf, Leinen und Tencel?

Notz-Lajtkep: Dies sind natürliche Rohstoffe, die schnell nachwachsen und mit einer guten Öko-Bilanz punkten. Doch die Textilwirtschaft hat zum Teil verlernt, einen Rohstoff wie Hanf einzusetzen. Dabei hätten diese Alternativen großes Potential. Flachs bzw. Leinen hat sogar bessere Trageeigenschaften als Baumwolle. Es kühlt und wirkt antiseptisch. Dazu nimmt es kaum Gerüche auf. All das macht Leinen eigentlich zu einem idealen Stoff für Kochjacken. Klar, Leinen knittert, aber wir sollten offen für Neues sein, dann erschließen sich vielleicht Vorteile, an die wir heute noch nicht denken.

Texte: Cornelia Liederbach
Fotos: Adobe Stock; Hersteller