Kochen mit 100 % Bio
TressBrüder auf der Überholspur
Die Bio-Pioniere von der Schwäbischen Alb beweisen, dass Ökologie und strategisches Wachstum kein Widerspruch sind. Warum sie jetzt auch eine Museumsgastronomie betreiben, mit Betriebsverpflegern kooperieren und in den Bereich Kita-Essen investieren, verrät Simon Tress im chefs!-Interview
Wir sind ein Bio-Multitool – vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser“, sagt Simon Tress. Mit seinen Brüdern Christian, Daniel, Dominik und Mutter Inge führt der gelernte Koch die Tress Gruppe, ein Multiunternehmen rund um die Bio-Marke „TressBrüder“ in Hayingen-Ehestetten (Schwäbische Alb). 80 Vollzeitmitarbeiter*innen leben die Nachhaltigkeitsphilosophie in fünf Bio-Restaurants, einem Bio-Hotel und zwei exklusiven Event-Locations. Das Bio-Fine-Dining-Restaurant 1950 von Simon Tress wurde 2024 als erstes Bio-Restaurant in Deutschland mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. In einer modernen Genussmanufaktur entsteht das breite Sortiment an Suppen & Eintöpfen der Marke „TressBrüder“, das deutschlandweit über den Bio- und Lebensmitteleinzelhandel vertrieben wird. Egal ob Restaurants, Events oder Convenience-Linie: Die TressBrüder setzen konsequent auf 100 % Bio-Produkte, regionale Lieferketten und den verantwortungsvollen Umgang mit allem, was die Natur hervorbringt. Dass ökologisches Denken & Handeln und strategisches Wachstum einander nicht ausschließen, beweisen die TressBrüder mit dem kontinuierlichen Ausbau ihrer Geschäftsfelder und der Eroberung neuer Zielgruppen. Warum sie nun auch eine Museumsgastronomie am Bodensee führen, Kooperationen mit Betriebsverpflegern vorantreiben und in den Bereich Kita-Essen investieren, verrät Simon Tress.
Die Tress Gastronomie expandiert. Fast gewinnt man den Eindruck, dass es den TressBrüdern in ihrer Heimat auf der Schwäbischen Alb zu eng geworden ist.
Simon Tress: Es stimmt, wir sind derzeit sehr dynamisch unterwegs. Das ist aber vor allem der Tatsache geschuldet, dass wir durch unseren idyllischen Standort auf der Schwäbischen Alb schon immer darauf angewiesen waren, kreativ nach vorne zu gehen. Die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen stellen alle Gastronomen vor Herausforderungen. Obwohl unsere Gäste und Kunden nach wie vor sehr gerne zu uns kommen, spüren auch wir natürlich Änderungen im Kauf- und Konsumverhalten.
Haben Sie da ein Beispiel parat?
Tress: Das Catering-Geschäft auf der Alb läuft zwar in Summe nach wie vor gut, aber die Personenzahlen sind rückläufig, sprich die Hochzeitsgesellschaften werden kleiner. Und wer Werksschließungen in der Autoindustrie und wirtschaftliche Unsicherheit vor der Brust hat, überlegt sich zweimal, wie oft er im Monat mit der Familie einen Restaurantbesuch einplant. Genau deshalb drücken wir aufs Gas, um uns innerhalb unserer bestehenden Strukturen und zur Auslastung unserer Kapazitäten in der Convenience- und Menüproduktion noch breiter und vielseitiger und damit zukunftssicher aufzustellen.
Dabei haben Sie u.a. die Betriebsverpflegung im Fokus und etwa im vergangenen Herbst eine Kooperation mit der Mercedes-Benz Gastronomie gestartet. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Tress: Die Betriebsgastronomie hat großes Potenzial: In Deutschland essen täglich mehr als sechs Millionen Menschen in Kantinen, Mensen oder Betriebsrestaurants. Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2030 den Bio-Anteil in öffentlichen Kantinen auf 30 Prozent steigern und damit die Akzeptanz von Bio-Produkten signifikant erhöhen. Diese Rahmenbedingungen möchte die Tress-Gruppe nutzen und Bio in Betriebsrestaurants und Unternehmens-Kantinen durch die Lieferung von kompletten Bio-Menüs bzw. Convenience-Komponenten in bester Bio-Qualität voranbringen. Es gibt erste Pilotprojekte mit bekannten Großunternehmen wie etwa der Kantine von Mercedes-Benz in Stuttgart und konkrete Vertragsverhandlungen mit weiteren Playern für 2025. Außerdem freuen wir uns sehr über den Zuschlag für die ersten 750 Kita-Essen im Großraum Stuttgart. Wir finden es besonders wichtig, mit Bio und Nachhaltigkeit in diesem Segment Fuß fassen zu können. Mit unseren Suppen und Eintöpfen haben wir das passende Angebot. Bis Ende des Jahres wollen wir die Kinderessen auf rund 5000 Portionen am Tag steigern.
Seit Dezember gibts das erste Bio-Restaurant der TressBrüder außerhalb der Schwäbischen Alb – im Zeppelin Museum in Friedrichshafen am Bodensee. Mit welchem Konzept sind Sie dort am Start?
Tress: Wir sind mit einem komplett neuen Team und einer vielseitigen Tageskarte mit Bio-Gerichten für die ganze Familie gestartet. Dabei gibt es u.a. Synergien mit dem Angebot in unserem Bio-Gasthof Friedrichshöhle auf der Schwäbischen Alb. Ab 18. März werden wir im Zeppelin Museum zusätzlich ein hochwertiges Abendkonzept mit Fine-Dining-Karte etablieren. Dabei wird der Gast die Möglichkeit haben, sich aus insgesamt drei Menüoptionen mit verschiedenen Vorspeisen, Zwischengängen, Hauptgerichten und Desserts sein individuelles Menü auf Basis von Fleisch, Fisch und vegetarischen Komponenten aus unserem 1950 zusammenzustellen. Zudem gibt es innovative Eventangebote wie Küchenpartys für Gruppen ab 50 Personen, und wir wollen das Museumsrestaurant mit seiner exklusiven Lage direkt am Bodensee und einer atemberaubenden Panoramaterrasse auch als einzigartige Hochzeits-Location vermarkten.
Wie passen der anspruchsvolle Produktgedanke der TressBrüder und das Thema Expansion zusammen? Besteht im Zuge des Wachstums nicht über kurz oder lang die Gefahr, dass Sie sich von Prinzipien wie 100 % Bio-Zutaten oder regionale Lieferketten verabschieden müssen?
Tress: Die Produktqualität ist nicht verhandelbar, wir möchten uns immer die besten Bio-Lebensmittel leisten können. Wir sehen auch in der Verfügbarkeit von Bio-Produkten kein Problem. Wir haben über Jahre regionale Lieferketten aufgebaut und pflegen langjährige Beziehungen zu unseren Landwirten und Lieferanten. Wir verwerten grundsätzlich das ganze Tier und versuchen auch beim Obst und Gemüse, die gesamte Pflanze so effizient wie möglich zu verwerten. Das ist übrigens nicht nur eine Frage der Ethik und Überzeugung, sondern auch betriebswirtschaftlich relevant. In Kombination mit den richtigen Prozessen und digitalen Tools sind wir so in der Lage, innovative Außer-Haus-Verpflegung in bester Bio-Qualität zu konkurrenzfähigen Preisen zu liefern. Parallel arbeiten wir kontinuierlich an der Effizienz und Optimierung unserer Prozesse.
Wie kann man sich das vorstellen?
Tress: Ein wesentlicher Baustein unseres Systems ist unsere zentrale Produktionsküche in Ehestetten für Gastronomie und Catering. Aus dieser Produktionsküche versorgen wir alle TressBrüder-Restaurants mit zum Beispiel frischen, schockgefrosteten Komponenten wie Soßen, Spätzle, Maultaschen, Tagliatelle, sous-vide-gegartem Gemüse und Schmorgerichten. Dadurch wird das Küchenteam vor Ort vom täglichen Produktionsstress entlastet, und der Koch darf wieder kreativ sein. Er kann die gewonnene Zeit beispielsweise in die Veredelung der Soße oder eine richtig geile Deko stecken. Es geht nicht vordergründig darum, Päckchen aufzumachen, sondern prozessorientiert zu denken, sich kreativ mit den Möglichkeiten des Systems auseinanderzusetzen und die küchenfertigen Komponenten intelligent zu kombinieren.
„Die Produktqualität ist für uns nicht verhandelbar. Wir möchten uns immer die besten Bio-Lebensmittel leisten können.“
Simon Tress, Geschäftsführer,
Küchenchef und Bio-Sternekoch
Familienbande: Mit seinen Brüdern Christian, Daniel, Dominik und Mutter Inge führt der Koch Simon Tress die Tress-Gruppe, ein Multiunternehmen rund um die Bio-Marke „TressBrüder“
Was macht die Tress-Gastronomie außerdem als Arbeitgeber interessant?
Tress: Wir haben alle Hierarchien abgeschafft und fördern gezielt junge Talente. Wir bieten Planbarkeit im Alltag und stehen für Achtsamkeit und Menschlichkeit. In unserer Produktionsküche arbeiten wir in zwei Schichten von 7 bis 16 Uhr und von 15 bis 23 Uhr. Wir fördern die Agilität im Team und haben uns vom statischen Postendenken verabschiedet; d.h., jede und jeder ist auf jeder Position einsetzbar und bei Bedarf ersetzbar. Jede und jeder kann bei uns aufsteigen und nach oben preschen. Das gilt übrigens auch für den Einsatz in unserem Fine-Dining-Restaurant 1950. Jede und jeder, egal ob Sous chef, Chef de partie oder Koch, kommt ins 1950. Es gibt kein festes Team. Die Konstanten sind der Restaurantleiter und ich, das wars. Das restliche Team rotiert, damit jeder auf Augenhöhe ist und in den Genuss kommt, Fine-Dining zu kochen. Das ist natürlich aufwändiger für mich, weil ich meine Mitarbeiter im 1950 immer wieder neu auf die Standards einschwören muss. Aber für den Teamgedanken ist das System extrem förderlich.
Stichwort 1950: Vor kurzem hat der Gault&Millau Ihnen den Titel „Gastronom des Jahres 2025“ und vier schwarze Hauben für das Restaurant 1950 verliehen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung für das mit zwölf Plätzen kleinste Outlet der TressBrüder-Gastronomie?
Tress: Sie bedeutet uns sehr viel, weil der Gault&Millau mit der Ehrung „Gastronom des Jahres“ das große Ganze würdigt, also unser Engagement als Bio-Gastronomen mit mehreren Restaurants und einer Küche mit einem eigenständigen, nachhaltigen Konzept. Gleichzeitig freuen wir uns sehr über die vier schwarzen Hauben für unser Bio-Fine-Dining-Restaurant 1950 mit seinem überwiegend vegetarisch aufgebauten Menü, in dem kein Produkt außer Salz einen längeren Lieferweg als 25 Kilometer hat. Es macht uns stolz, dass wir mit diesem speziellen Konzept weiter in die Spitze der deutschen Top-Restaurants vorgedrungen sind und gewürdigt wird, was man in der Spitzengastronomie mit Bio und Nachhaltigkeit erreichen kann.
Was sind die nächsten Pläne und Projekte der TressBrüder?
Tress: Wir arbeiten weiter an unserer Leuchtturm-Funktion als Bio-Gastronomen, skalieren und setzen noch mehr auf Expansion. Ein wichtiges Thema dabei sind Hotels, die wir darin unterstützen werden, mit minimalem Personalaufwand hochwertige Bio-Gerichte von 11.30 Uhr bis spät in die Nacht anzubieten. Dazu liefern wir ihnen frische, schockgefrostete Speisenkomponenten, die vor Ort nach mitgelieferter Anleitung auf Tellern angerichtet und bei Bestellung mit dem Heißluftdämpfer regeneriert werden. Die erste konkrete Zusammenarbeit ist fest vereinbart, und wir sprechen bereits mit weiteren Häusern über solche Kooperationen, um die Hotelgastronomie mit unseren Systemen in Sachen Qualität und Wirtschaftlichkeit zu optimieren. Das ist eine spannende Aufgabe. Ich bin ein Prozesstyp und weiß, dass die Qualität nicht leidet. Das System der TressBrüder ist bis ins Detail so austariert, dass es perfekt funktioniert.
Neuer Fokus Betriebsverpflegung: Zum Start der Kooperation mit der Mercedes-Benz Gastronomie standen die TressBrüder Christian, Dominik und Simon Tress (v.l.) in der Kantine in Untertürkheim selbst an der Essensausgabe
Interview: Sabine Romeis
Fotos: Tress Gastronomie