Alois – Dallmayr Fine Dining
Köchin im Schlaraffenland
Rosina Ostler ist seit Dezember 2023 Küchenchefin im zweifach besternten Restaurant Alois – Dallmayr Fine Dining in München. Sie legt Wert auf eine klare Linie auf dem Teller, saisonale Produkte und will ihre Gäste für Zutaten und Speisen begeistern, die nicht alltäglich sind
Eine schicksalhafte Fügung nennt Rosina Ostler ihre Rückkehr in ihre Geburtsstadt München. Seit Dezember 2023 ist sie Küchenchefin im Alois – Dallmayr Fine Dining. „Ich habe zehn Jahre im In- und Ausland gearbeitet und hatte Sehnsucht nach meiner Heimat. Als die Stelle ausgeschrieben wurde, habe ich mich sofort beworben“, erzählt die 31-Jährige. Das Münchner Feinkostgeschäft Dallmayr besuchte Rosina Ostler schon als Kind. „Meine Eltern sind Jäger und leidenschaftliche Köche, die immer schon viel Wert auf hochwertige Produkte gelegt haben. Wir sind deswegen häufig zum Dallmayr gegangen, sei es zum Einkaufen oder regelmäßig zum Essen.“
Seit 2024 führt Rosina Ostler nun die kulinarische Regie im Alois, das sich im ersten Stockwerk des Delikatessenhauses befindet. „An der Stelle als Küchenchefin hat mich besonders gereizt, dass ich direkt im Haus ein so großes und tolles Sortiment an Produkten vorfinde. Dallmayr ist wirklich ein Schlaraffenland für Köche. Ich freue mich hier über die Fülle an Zutaten und Aromen, auf die ich zurückgreifen kann. Aktuell arbeite ich sehr gerne saisonal mit Zitrusfrüchten, die ich auch einlege. Im Maaemo in Oslo, meiner letzten Station, haben wir einen viel strengeren lokalen Ansatz verfolgt und die Säure für Gerichte etwa aus Molke produziert.“
Achtsamkeit für die Schätze der Natur
Der Kochansatz von Rosina Ostler ist philosophisch geprägt. „Ich bin mittlerweile sehr achtsam gegenüber den Zutaten geworden, die uns die Natur je nach Jahreszeit zur Verfügung stellt. Daher kann man bei mir ruhig von einer Produktküche sprechen.“ In Hinblick auf Partner und Produzenten sind ihr besonders saisonale Waren von erstklassiger Qualität wichtig. Sie greift gerne auf das umfangreiche Netzwerk des Delikatessenhauses zurück und lässt sich von den unmittelbaren Möglichkeiten bei einem Rundgang durch den Laden oder Verkostungen mit dem Einkaufsteam des Delikatessenladens inspirieren.
„Aus Norwegen habe ich nicht nur die Vorliebe für reduzierte Ästhetik mitgenommen, sondern auch traditionelle Koch- und Gartechniken.“
Rosina Ostler, Küchenchefin, Alois – Dallmayr Fine Dining
Einen hohen Anspruch hat Rosina Ostler auch in Sachen Ästhetik. „Auf meinen Tellern gibt es keinen unnötigen Firlefanz. Wenn ich essbare Blüten oder Soßentupfer verwende, dann müssen diese geschmacklich auch so eingesetzt sein, dass sie dem Gericht einen ‚Kick‘ bzw. einen Sinn geben, und nicht nur der Optik zuliebe zu finden sein. Ich fahre gerne eine klare Linie ganz nach der Prämisse ‚Weniger ist mehr‘.“ Für die Münchnerin muss jeder einzelne Bestandteil eines Gerichts eine Berechtigung auf dem Teller haben und den angestrebten Geschmack unterstützen. Die verwendeten Produkte sollen dabei klar „schmeckbar“ sein. „Bei Gerichten wie etwa Forelle mit Jalapeño und Dill geben die einzelnen Komponenten per se schon so viel her an Farb- und Formenvielfalt. Hier arbeiten wir bereits zur geschmacklichen Unterstützung mit sehr vielen Dillblüten, da braucht es keine weiteren Deko-Elemente auf dem Teller.“
Zum Käse-Gang in die Küche
Generell möchte Rosina Ostler ihre Gäste im Alois – Dallmayr Fine Dining für Speisen begeistern, die nicht unbedingt alltäglich sind, besonders in der gehobenen Gastronomie. „Ein gutes Beispiel dafür sind Kalbsleber und Bittersalate. Beides herrliche Produkte, die aber nicht unbedingt jeder regelmäßig und gerne isst. Mein Anspruch ist es, sie so zuzubereiten, dass die Gäste hinterher positiv überrascht sind.“
Zu einem Besuch im Alois gehört, dass der Käse-Gang in der Küche serviert und Highlight-Produkte aus dem Haus vor den Augen der Gäste im Restaurant präsentiert werden. „Wir Köche hier im Alois sind auch Gastgeber. So gut wie jedes Gericht wird von einem von uns am Tisch serviert und erklärt. Der enge Kontakt zum Gast ist mir und meinen Mitarbeitern wichtig. Schließlich geht es darum, ein kulinarisches Gesamterlebnis zu bieten.“
Vorliebe für reduzierte Ästhetik
„Aus meiner Zeit in Norwegen habe ich nicht nur die Vorliebe für reduzierte Ästhetik auf dem Teller mitgenommen, sondern auch traditionelle Koch- und Gartechniken“, sagt Rosina Ostler. „Besonders prägend waren für mich die Methoden und Techniken der nordischen Küche wie beispielsweise Fermentation, Einlegen und Haltbarmachen durch Trocknen oder Kochen über offenem Feuer. Das Einbeziehen von Kultur, Geschichte und Identität haben mir eine neue Dimension des Kochens eröffnet – auch das Leben dort im Einklang mit der Natur. Generell kann man sagen, dass mich die Präzision in der Arbeitsweise und der Blick fürs Detail in Oslo enorm geprägt haben.“
Und sie hat neue Denkweisen und besondere Techniken kennengelernt. „Etwa wie man einen Lack aus reduziertem Topinambursaft herstellt, um den Fisch damit einzustreichen.“ Diese Kombination findet sich beispielsweise in ihrem Gericht Steinbutt, Tompinambur, Sauerkirsche, das mit einer komplexen Soße serviert wird, die u. a. mit einem Wildkirsche-Tee, geröstetem Rosa Pfeffer, Hühneressenz, Mönchsbartöl und einem Hauch dunklem Weißbier verfeinert wird.
Inspiration durch Familienrezepte
Alle sechs bis acht Wochen wechselt das Menü im Alois komplett, zwischendurch werden immer wieder einzelne Gänge ausgetauscht. „So bleibt es sowohl für Stammgäste, als auch für uns Köche spannend und kreativ“, erklärt Rosina Ostler. Inspirationen für ihre Gerichte holt sie sich vor allem durch das umfangreiche Dallmayr-Sortiment und über alte Familienrezepte. Die handgeschriebene Rezeptsammlung ihrer Familie prägt sie bis heute. Die Gerichte interpretiert sie neu und modern.
Konsequent und fair im Führungsstil
Ihr achtköpfiges Küchenteam führt Rosina Ostler konsequent und fair: „Ich habe immer ein offenes Ohr für Fragen, Anregungen oder Probleme. Dennoch bin ich ein Freund von klaren Ansagen – aber immer mit ruhiger Stimme. Zudem mag ich genaues, präzises Arbeiten, Sauberkeit und einen respektvollen Umgang miteinander.“ Ein harmonischer Umgangston und gegenseitiges Verständnis bilden ein wichtiges Fundament für das Erreichen der festgelegten Ziele.
Ihr wichtigster Rat an junge Talente lautet, motiviert und interessiert zu bleiben. „Ich würde auch jemandem eine Chance in meiner Küche geben, der zuvor noch nie in der gehobenen Gastronomie tätig war. Solche Mitarbeiter haben oft einen frischen Blick auf alles und wollen viel dazulernen. Wissbegierde finde ich essentiell“, sagt Rosina Ostler. Auch sie selbst war schon immer ehrgeizig. Nach ihrem Masterstudium „Food Culture and Communications“ an der Università di Scienze Gastronomiche von Slow Food Gründer Carlo Petrini im italienischen Pollenzo (Piemont) entschied sie sich für eine klassische Kochausbildung im Hotel Traube Tonbach. Getreu ihrem Instagram-Motto „Food is my universe“ zog es sie schließlich in die besten Sterne-Restaurants Europas. Von der Schwarzwaldstube in Baiersbronn ging es ins Einsunternull nach Berlin und weiter nach Oslo ins Maaemo.
Eine gute Work-Life-Balance ist Rosina Ostler wichtig. Das gelingt, weil das Alois nur von Mittwoch bis Samstag geöffnet hat. „An drei der vier Tage bieten wir zwar einen Mittag- und Abendservice an, verbunden mit langen Arbeitszeiten, aber die Betriebsamkeit genieße ich dann regelrecht, weil ich ja weiß, dass zwischendurch genug Zeit ist, um meine Akkus wieder aufzuladen.“ Mit Blick auf die Zukunft ist es der Münchnerin wichtig, zuerst einmal ihren eigenen Stil zu etablieren. „Ich freue mich jeden Tag hier zur Arbeit zu kommen“, sagt Rosina Ostler. „Wir geben als Team jeden Tag das Beste, alles andere wird sich zeigen. Dafür ist es wichtig, nicht immer nach links oder rechts zu schauen, sondern auf sich selbst zu vertrauen.“
Text: Nina Zeller
Fotos: David Maupilé; Dallmayr