Carmelo Greco
Authentisch italienisch auf Sterne-Niveau
Von einem, der auszog, die italienische Küche vom Pizza & Pasta-Image zu befreien: Carmelo Greco ist derzeit Deutschlands einziger Sternekoch mit italienischem Pass und italienischem Konzept
Carmelo Greco erinnert sich noch gut an seine erste Begegnung mit Deutschland. Das war vor 33 Jahren. Einen Arbeitsvertrag in der Tasche und ein wenig Traurigkeit im Herzen kam er in Dreieich bei Frankfurt an. „Es war ein Samstagnachmittag in November, die Läden hatten geschlossen und alles war grau, trüb und so ganz anders als in Italien.“ Auch wenn es alles andere als Liebe auf den ersten Blick war: Der damals 21jährige Koch aus dem Piemont blieb und verfolgte fortan seine Mission. „Ich wollte zeigen, wie gute italienische Küche sein muss, denn das, was ich darunter verstehe, fand ich damals nicht in Deutschland.“ Heute gilt das Carmelo Greco, das es seit nunmehr zehn Jahren in Frankfurt-Sachsenhausen gibt, als einer der besten „Italiener“ Deutschlands. Mehr noch: Es ist das einzige Restaurant mit Michelin-Stern, in dem feine italienische Regionalküche serviert wird und hinter dem auch ein echter italienischer Küchenchef steht. Im Restaurant Acquarello in München beispielsweise, das ebenfalls ein italienisches Konzept verfolgt und einen Stern hat, steht Mario Gamba nicht mehr selbst am Herd, sondern fungiert „nur“ als Gastgeber.
„Ich bringe meine Heimat auf den Teller.“
Schon immer spielt Tradition eine wichtige Rolle in Carmelo Grecos Küche. Sein Credo: „Ich bringe meine Heimat auf den Teller, meine Persönlichkeit und meine Kultur aus Piemont und Sizilien.“ Gerichte wie zum Beispiel Carne su Carne (Fleisch auf Fleisch), eine Variante von Carpaccio und Carne Cruda (Tatar), sind Neuinterpretationen italienischer Klassiker. Die Auswahl auf der Speisekarte, die neben mehrgängigen Menüs auch eine Reihe von feinen à la carte-Gerichten bietet, wechselt nach Saison und Marktlage. „Obwohl sich meine Küche über die Jahre hinweg weiterentwickelt hat, koche ich noch immer bodenständig mit besten Produkten der Saison“, betont Carmelo Greco.
Dass er mit seiner unverfälschten italienischen Spitzenküche binnen kürzester Zeit die Herzen der Gäste und Kritiker erobern würde, ahnte Carmelo Greco nicht, als er 1987 auf Vermittlung von Guido Giovo, einem befreundeten Wein- und Delikatessenimporteur, im Restaurant Sandrocchia in Dreieich begann. 1991 eröffnet er dann mit dem Weinexperten Roland Brzezinski die Osteria Enoteca, die schnell zum Geheimtipp avancierte. Fünf Jahre später erhielt das Restaurant in Frankfurt-Rödelheim mit seinem ersten Michelin-Stern. Im November 2010 begann ein neues Kapitel in der beruflichen Karriere von Carmelo Greco: Mit seinen Freunden und Geschäftspartnern Guido Giovo und Chester Sauri eröffnete er sein heutiges Restaurant, das auch seinen Namen trägt.
„Ich werde nie an der Produktqualität sparen!“
Carmelo Greco ist in der Gastro-Szene des Rhein-Main-Gebiets gut vernetzt. Regelmäßig nimmt er an kulinarischen Events teil, natürlich ohne das eigene Business zu vernachlässigen: „Außer in seltenen Krankheitsfällen bin ich zu den Öffnungszeiten immer im Restaurant. Meine Gäste kommen zu mir, also bin ich für sie da.“ Ruhig, sympathisch und bescheiden: Genau wie seine Küche verlor der heute 54-Jährige nie die Bodenhaftung. Sein Anspruch an sich selbst ist ungebrochen hoch und sein Credo kompromisslos: „Egal, was passiert – ich werde nie an der Produktqualität sparen!“ Gute Zutaten sind das A&O seiner Küche. Dazu gehören Trüffel aus dem Piemont oder fangfrische Krustentiere aus Mazara del Vallo. „Langustinen und Gambero rosso von unglaublicher Qualität“, schwärmt Carmelo Greco. „Sie sind in 24 Stunden vom sizilianischen Meer in meiner Küche.“ Obwohl er auch moderne Kochtechniken anwendet, konzentriert er sich am liebsten auf die Inszenierung des ursprünglichen Produkts. „Die Gäste wollen überrascht werden, sie lieben aber auch das Wiedererkennbare. Ein Produkt in höchster Qualität, die Aromen fein herausgearbeitet – das ist es, was ihnen in Erinnerung bleibt.“
Seine Vorbilder sind die Cerea-Brüder, die in ihrem dreifach besternten Ristorante da Vittorio im norditalienischen Bergamo beweisen, dass man seine Tradition nicht verleugnen muss, um in den höchsten Kocholymp aufzusteigen. Auch im Ristorante Da Guido (zwei Michelin-Sterne) in Costigliole D’Asti, wo Carmelo Greco nach seiner Ausbildung arbeitete, wurde Regionalküche auf bestem Niveau serviert. „Ein vorzügliches Stück Fleisch oder Fisch mit einer wunderbaren Soße – mehr brauchte Küchenchefin Lidia Vanzino Alciati nicht, um die Gäste glücklich zu machen“, erinnert sich der Wahl-Frankfurter an diese für ihn prägende Zeit.
„Ich finde meine Identität in meiner Heimat.“
Wo steht für ihn heute die deutsche Spitzengastronomie im Vergleich zur italienischen? „Die deutsche Sterneküche ist beeinflusst von den Länderküchen ganz Europas und auch Asiens“, sagt Carmelo Greco. „Das ist spannend und gut. Ich finde meine kulinarische Identität in der Spitzengastronomie meiner alten Heimat, wo der Fokus auf der eigenen Region liegt.“ Carmelo Greco bleibt seinen Wurzeln bei der Entwicklung neuer Rezepte stets treu, selbst wenn er ab und zu beispielsweise einen asiatischen Akzent in Kreationen einfließen lässt.
33 Jahre nach der ersten Begegnung mit Deutschland fühlt sich Carmelo Greco wohl in seiner Wahlheimat. Er bekommt hier inzwischen alle italienischen Waren, die er für seine Küche benötigt. Das Wetter in Frankfurt sei im Zuge des Klimawandels inzwischen genauso gut wie im Piemont, und auch die italienische Küche in Deutschland gewinne an Niveau. „Selbst einfache Pizzerien servieren heute Pizza mit Top-Zutaten“, freut er sich. Nur das Meer vermisst er gelegentlich, gibt aber zu, dass „auch der Main seine schönen Plätze hat“.
Text: Cornelia Liederbach
Fotos: Thorsten Weigl; Nazariy Kryvosheyev