Viktoria Fuchs
Revolution in der Wildküche
Wild klassisch? Nicht mit Viktoria Fuchs! Die Junior-Chefin im Romantik Hotel & Restaurant Spielweg in Münstertal im Südschwarzwald gibt Wildgerichten mit fernöstlichen Zutaten und Rezepten einen modernen, kosmopolitischen Touch. Die Klassiker von Vater Karl-Josef Fuchs stehen trotzdem noch auf der Karte
Die Frau hat Mut: „Ich bin Köchin, lebe in einer Jägerfamilie, kann nicht jagen und habe einen Hund, der es noch weniger kann als ich“, bekennt Viktoria Fuchs in den Anfangszeilen ihres ersten eigenen Kochbuchs mit dem Titel „Fuchsteufelswild“. Dafür kann sie in der Küche hervorragend mit Wildbret umgehen und setzt ihre Wildgerichte auf eine Art und Weise um, die besonders und einzigartig ist. Viktoria Fuchs, seit wenigen Jahren erst mit ihrer Schwester Inhaberin und Küchenchefin des familieneigenen Romantik Hotel & Restaurant Spielweg in Münstertal im Südschwarzwald verbindet die klassische Wildküche mit asiatischen Einflüssen. Sie entwickelt Gerichte, die Reh, Fasan & Co. von einer völlig neuen, kosmopolitischen Seite zeigen. Mit Kreationen wie Rosa gebratener Wildschweinrücken mit Hummus, Polpo, Minze und grünen Spargel oder Gebeiztes Hirschfilet mit angekochter gelber Bete und Lauch-Asche befreit sie die Wildküche aus der angestaubten Schublade. Keine Frage: Viktoria „Viki“ Fuchs kocht fuchsteufelswild – der Name ihres ersten Kochbuchs ist Programm für ihre Küche.
Die 30jährige, die seit 2018 Mitglied bei den Jeunes Restaurateurs ist, bekam ihre Passion fürs Kochen und für heimisches Wild in die Wiege gelegt. Ihr Vater Karl-Josef war und ist nicht nur leidenschaftlicher Jäger, sondern galt auch als einer der besten Wildköche des Landes. Schon vor Jahren begann auch er, Wildgerichte neu zu interpretieren. Viktoria Fuchs schaute ihm bereits als Kind beim Kochen zu, und so stand früh fest, dass sie in seine Fußstapfen treten würde. Nach ihrer Kochausbildung im Restaurant Hirschen bei Douce Steiner folgten für „Viki“ Fuchs Stationen in renommieren Häusern von Hamburg (Le Canard) bis Krün (Schloss Elmau.) Die Wanderjahre endeten jäh, als sich 2015 ihr Vater aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste. Für „Viki“ war der nächste Schritt auf ihrer Karriereleiter klar: Sie kehrte heim in den Südschwarzwald und übernahm den elterlichen Betrieb in sechster Generation gemeinsam mit ihrer Schwester Kathrin, gelernte Hotelfachfrau.
„Als ich vom Commis de Cuisine zur Küchenchefin wurde, war das ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert sie Viktoria Fuchs an die Anfangszeit am heimischen Herd. Für sie, die sich selbst freimütig eine „kreative Chaotin“ nennt, war das Organisieren und Strukturieren von Küchenabläufen und -plänen nicht die größte Stärke. Doch gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Johannes, der als Koch und Konditor an ihrer Seite wirkt und mit seiner Geduld und Genauigkeit einen guter Gegenpol zur „wilden Viki“ bildet, gelang es ihr dann doch, ein gutes Team aufzubauen und den Generationswechsel bravourös zu meistern.
Schon früh begann sie, am Herd und in die Speisekarte ihre kühnen Ideen einzubringen. Sie wollte zeigen, dass Wildküche nicht nur mit Wacholder einhergeht und nicht unbedingt schwer und fleischlastig sein muss. So begann sie, mit Ingwer und Zitronengras zu würzen und mit fernöstlichen Zubereitungsmethoden für Reh & Co. zu experimentieren. Sozusagen ihr Coming-Out als fuchsteufelswilde Köchin hatte Viki Fuchs, als sie ihr erstes asiatisches Wildschweinragout im Ofen vergaß und eine Art japanisches Pulled Pork als Ergebnis erhielt. Kurzerhand füllte sie die Masse in Teigtaschen, dämpfte sie und setzte sie als Wildschwein-Dim Sum auf eine Extrakarte. Die Neukreation war ein Volltreffer – die Gäste nahmen sie begeistert an, und so wurde der zunächst unfreiwillige Zufallstreffer zu ihrem Signature Dish. Seither freut sie sich unbändig, wenn Gäste, die am Anfang noch Schnitzel und Flädlesuppe bevorzugen, nach drei Tagen nicht genug von ihren Wild-Currys, etwa mit Fasanenfleisch, oder der Wildenten-Pho mit rosa gebratener Wildente, Koriander, Minze und krosser Hühnerhaut bekommen können. Vorkosterin ihrer kreativen Ideen ist stets Schwester Kristin.
Überhaupt: Die Familie hält fest zusammen im Romantik Hotel & Restaurant Spielweg und schließt auch die Mitarbeiter*innen in ihren Kreis ein. Täglich um 11 und 18 Uhr treffen sich alle am Familientisch, um zu diskutieren und gemeinsam zu essen. Großmutter Josefine, die aus einem einfachen Gasthaus das heutige Familienhotel gemacht hat, ist als Seniorchefin noch mit von der Partie. Mutter Sabine ist Herrscherin über den 30 Jahre alten, ausgedehnten Kräutergarten und kümmert sich um das Frühstück für die Hotelgäste. Schwester Kristin leitet als Hotelmanagerin die Geschicke des Familienbetriebs, und auch Vater Josef ist immer noch eine unverzichtbare Größe im Betrieb. Er widmet sich der hauseigenen Käserei, die er vor 25 Jahren gründete, und produziert Bergkäse, Obermüstertäler Weichkäse und Ricotta-Frischkäse, mit dem beispielsweise die hausgemachten Ravioli gefüllt werden. Daneben gibt er Wildbret-Kochkurse und geht mit Schwiegersohn Johannes auf die Pirsch, um für Nachschub an Wildbret zu sorgen. Im eigenen Revier, dem Oberen Wald in Münstertal, jagen sie, aber auch in befreundeten Revieren in der Oberpfalz sowie im Elsass.
Wildgenuss ist nachhaltiger Genuss, denn die Tiere leben in ihrer natürlichen Umgebung. Daneben bietet das Fleisch viele gesunde Omega-3-Fettsäuren,
Vitamine und Spurenelemente. In ihrer Küche verarbeitet Viktoria Fuchs vor allem Reh, Hirsch, Gams, Wildschwein, Hase und Wildgeflügel wie etwa Fasan, Rebhuhn und Stockente. Im hauseigenen Garten erntet sie Kräuter und Blüten, mit denen sie ihren Gerichten täglich einen neuen Kick gibt. So passt zum Beispiel die proteinreiche Erbsenkresse sehr gut zu ihren Rehgerichten, weil sie für Frische sorgen und obendrein dekorativ sind. Der kleinblättrige Basilikum ist ihr jedoch Favorit, denn er bringt mediterrane Akzente ins Spiel. Zu Rehrücken oder zu Gams passt Eisenkraut (Verbene), das die Küchenchefin gerne noch mit Pfirsich kombiniert, weil dessen Süße und die Frische der Verbene das Aroma des Fleisches perfekt unterstützen. Mit Minze und Zitronenmelisse balanciert sie kräftiges Wildschweinfleisch perfekt aus. Hirsch verträgt sich indes gut mit Salbei, und zum zarten Fasan kombiniert Viktoria Fuchs gerne Koriander – so entsteht beispielsweise die Finesse des Gerichts Gelbes Fasanen-Curry.
Zwar überlässt die junge Frau das Jagen lieber ihrem Vater und Freund Johannes, doch auf die Pirsch in die ausgedehnten Wälder der Umgebung geht sie trotzdem gerne. Zorro, der neunjährige Foxterrier, und Pinot, ein junger Australian Shepherd, begleiten sie, wenn sie nach Fichtensprossen, Wildkräutern, Bärwurz, Wildkerbel, Bärlauch oder Pilzen sucht. Die Pilzsuche im Herbst ist übrigens ein festes Familienritual. Selbst während ihrer Kochausbildung in Sulzburg kam sie regelmäßig heim, um beim großen Sammel-Event mit anschließenden Pilzeessen dabei zu sein.
Für die Arbeit der erfolgreiche Köchin bieten der Schwarzwald und die Jahreszeiten eine Fülle an Schätzen. Und natürlich kocht sie auch nach wie vor die Spielweg-Klassiker: Die berühmte Waldpilzpfanne etwa, die Hirschkalbshaxe mit Kürbis, Kürbisschaum und Salbei, die Maultaschen von der Gams in der Brühe mit Schmelzzwiebeln oder der Rosa gebratene Rehrücken mit Schupfnudeln, Erbsen und Pfifferlingen. Diese Gerichte sind quasi als Reminiszenz an das Schaffen des Vaters auf der Karte geblieben. „Die Schwarzwälder Küche ist noch immer mein Zuhause“, schwärmt Viktoria Fuchs. „Doch es macht mir große Freude, sie auf meine Weise immer wieder neu zu erfinden!“
BUCHTIPP
Viktoria Fuchs: Fuchsteufelswild
Viktoria Fuchs kocht kreativ, kosmopolitisch und regional. Ihre Leidenschaft: Wild und andere regionale Produkte. Geerdet, aber auch wild, so kann man ihre Kochkunst bezeichnen. Die Rezeptsammlung im Buch wird aufgelockert durch Hintergrundinformationen zu Hirsch, Gams & Co. Grundrezepte zu hausgemachten Nudeln, Brot, Schupfnudeln oder auch Wildjus runden das Kochbuch ab.
€ 25,00, Pappband, 240 Seiten, Südwest, ISBN 978-3-517-09917-0
Text: Cornelia Liederbach
Fotos: © Vivi D‘Angelo/Südwest Verlag