Karriere im Kochberuf

Bloß keine Kompromisse!

Antonina Müller ist Köchin aus Leidenschaft und hat schon nach wenigen Monaten ihren Traum vom Kochen im Schlosshotel Weyberhöfe begraben müssen. Für die weitgereiste Fränkin kein Grund, Trübsal zu blasen: Sie ist als TV-Köchin sehr gut gebucht, hat einen Podcast und schmiedet Pläne für die Zukunft

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Die Personalie sorgte im Frühjahr für Aufsehen: Das Schlosshotel Weyberhöfe in Sailauf bei Aschaffenburg engagiert Antonina Müller, u. a. bekannt aus der TV-Sendung ARD-Buffet, um die Gastronomie neu zu konzeptionieren und den schlummernden Fine-Dining-Bereich des 4-Sterne-Superior-Hotels zu reak­tivieren. Doch nach einem gelungenem Start mit einem „Steaks vs. Vegan“-Konzept hat Antonina Müller inzwischen die Live-Cooking-Showküche der Weyber­höfe im August schon wieder verlassen. Eine Kursänderung des Hotelmanagements über die weitere Ausrichtung der Gastronomie ließ ihr zu wenig Raum für die Weiterentwicklung ihrer euro-asiatisch geprägten Gourmetküche.

„Es war ein richtiger Goldschatz“

Dabei schien zu Anfang alles perfekt: Eine Arbeitsstelle nah am Wohnort, die es ihr leicht machte, Job und Familien-leben mit zwei kleinen Kindern zu vereinen, eine spannende Herausforderung und eine Location wie im Märchen. „Ein richtiger Goldschatz, der darauf wartete, gehoben zu werden“, sagt Antonina Müller rückblickend. Als sie bei der Lieferantensuche auf den Luisenhof Spessart stieß, der Bisons, Rinder und Duroc-Schweine mit Blick aufs Tierwohl züchtet und am Hof schlachtet, schien die Richtung klar – bis sie erfuhr, dass auch Veganer zu den Gästen zählen. So entstand die Idee für das Konzept „Steaks vs. Vegan“. Antonina Müller „kann“ Fleisch, verarbeitet am liebsten das ganze Tier, hat aber auch ein Faible für die pflanzliche Küche. „Aus einer geschmorten Steckrübe kann mit etwas Koriander und Estragon im Handumdrehen ein raffiniertes Püree entstehen. Ob sous-vide gegart oder fermentiert – Pflanzen sind so wandelbar in der Küche. Ich brauche keinen Fleisch­ersatz, mein Vitello Sellerie lässt kulinarisch nichts vermissen.“

Die 35-Jährige stammt aus einer Musikerfamilie. Ihre Kochausbildung absolvierte sie im Steigenberger Hotel Der Sonnenhof mit Restaurant Calla in Bad Wörishofen. Sie schloss als Jahrgangs­beste ab und erhielt einen Staatspreis. Danach arbeite sie in Schweizer Grandhotels, u.a. im Dolder Grand in Zürich und im Palace in Luzern. 2013 ging sie ins Restaurant Mi Corazon in Las Terrenas, Dominikanische Republik. Sie war 23 und hatte gerade ihre Fortbildung zur Diätköchin abgeschlossen, als ein guter Kollege anfragte: „Willst Du in die Karibik kommen?“ Sie wollte!

Ohne Spanischkenntnisse in die Karibik

Ohne Spanischkenntnisse packte Antonina Müller ihre Koffer und blieb drei Jahre, einige Zeit war sie Küchenchefin. Das Res­taurant, von Schweizern geführt, war eine feine Adresse auf der Insel. Sie kochte auf Induktionstechnik, meisterte Caterings und entdeckte bald die Pâtisserie für sich, heute eine ihrer Leidenschaften. 2016 kehrte die reisefreudige Köchin zurück nach Deutschland, um die Meisterschule zu absol­vieren, pendelte aber noch bis 2019 zwischen Deutschland und der Karibik. Bei ihrem ersten Fernsehdreh in Aschaffenburg lernte sie ihren heutigen Mann kennen – und blieb.

Nach der Geburt ihrer beiden Kinder kehrte sie als Küchenchefin im Restaurant Calla zu ihrem Ausbilder & Mentor Jörg Richter ins Steigenberger Hotel Der Sonnenhof zurück. Die Zeit im Restaurant Calla prägte ihren heutigen euro-asiatischen Kochstil. Aber auch ihre Zeit in der Karibik hat natürlich Spuren hinterlassen. Süßkartoffeln, frittierte Kochbananen (Tostones) und Manjok sind feste Bestandteile ihres Zutaten-Repertoires. „Ich werde nie wieder Reis nur in Wasser kochen. In der Karibik wird das Reiskochen regelrecht zelebriert. Mit allerlei Gewürzen, Gemüse in hoher Qualität und einer unvergleich­lichen Aromenfülle.“

Gleichzeitig reden und kochen – ein Pluspunkt

Durch TV-Formate wie „ARD-Buffet“, „Mein Lokal – dein Lokal“ und „Das perfekte Dinner – Wer ist der Profi?“ wurde die quirlige Köchin einem breiten Publikum bekannt. Seit diesem Sommer mode-riert sie darüber hinaus mit Achim Sam den Podcast „Iss! – Ernährungswissen mit Biss“ und wird nun auch häufiger im SAT 1 Frühstücksfernsehen zu sehen sein. „Ich kann gleichzeitig reden und kochen – das ist ein Pluspunkt. Ich mag die Arbeit vor der Kamera.“

Text: Cornelia Liederbach

„Ein Mann wird nie gefragt, wie er Job und Familie unter einen Hut bringt. Warum stehen wir Frauen immer im Kreuz­feuer?“

Antonina Müller, Köchin und zweifache Mutter

„Ich lasse lieber los, wenn’s mich nicht weiterbringt“

Die Küchenmeisterin und TV-Köchin Antonina Müller (35) über die Lust an feiner Küche, Stiltreue, Mut und geplatzte Träume

chefs!: Sie haben viel Herzblut in das neue Gastro-Konzept der Weyberhöfe gesteckt. War es schwer, die Reißleine zu ziehen?
Müller: Nun, ich habe sehr mit mir gerungen: Macht es Sinn, weiterzumachen, wenn man mit dem, was man eigentlich will, nicht weiterkommt? Ich bin keine, die auf der Stelle tritt und lasse lieber los, wenn etwas nicht zu ändern ist. Es war eine sehr intensive Zeit, die ich nicht bereue, denn wir haben sehr viel miteinander auf den Weg gebracht. Die Gastronomie ist heute organisiert und strukturiert, wie es sich für einen Neustart gehört. Das kulinarische Konzept „Steaks vs. Vegan“ läuft sehr gut und kann erfolgreich fortgeführt werden. Im Rückblick sehe ich meine Zeit in den Weyberhöfen als eine Art Coaching und damit positiv.

chefs!: Warum war es Ihnen so wichtig, den Fine Dining-Bereich auszubauen? Wäre es nicht einfacher und weniger zeitaufwändig gewesen, sich nur auf ein Konzept zu konzentrieren?
Müller: Natürlich mache ich auch gern einen guten Kartoffelsalat. Aber letztlich bedeutet es mir nun mal mehr, Fine Dining zu kochen. Das bin ich! Kürzlich sagte ein Gast zu mir: „Wenn ich ein Gericht von Ihnen esse, weiß ich genau, dass es von Ihnen ist.“ Das ist mein größtes Kompliment! Ich möchte weiterhin eine feine, euro-asiatische Küche kochen und mich entwickeln dürfen. Nur das schenkt mir berufliche und persönliche Zufriedenheit.

chefs!: Was gefällt Ihnen am Kochen? Und was sind die Schattenseiten als Frau im Beruf?
Müller: Ich wollte einen Job, in dem ich reisen kann. Dass mir das Kochen so gut liegt, hat mich selbst überrascht. Mit meinen anfangs 16 Jahren musste ich mich während der Ausbildung in einer Männerdomäne durchbeißen. Später, in Führungspositionen, ebenso. Mein Empfinden: Als Frau muss man sich fünfmal mehr beweisen als ein Mann. Das ist aber auch von Vorteil, denn so habe ich gelernt, für mich selbst und meine Ziele einzustehen.

chefs!: Sie sind eine starke Persönlichkeit.
Müller: Viele kennen mich nur als die Lustige aus dem Fernsehen. Obwohl ich ein Harmoniemensch bin, bin ich auch tough. Ich sage, was ich denke, und kann auch autoritär sein. Ich glaube, ich habe einen guten Mittelweg gefunden und mir so in der Küche Respekt verschafft.

chefs!: Wie haben Sie die Zeit als Küchenchefin in der Dominikanischen Republik erlebt? Dort ist die Emanzipation ja noch weniger ausgeprägt.
Müller: Meine männlichen Kollegen trauten mir erst einmal gar nichts zu. Sie brachten mir einen Fisch und wollten mir zeigen, wie man ihn filetiert. Sie waren sehr erstaunt, als ich ihnen zeigte, dass ich das ziemlich gut alleine kann. Wer mich nicht kennt, unterschätzt mich leicht. Ich bin eine Schafferin und mir auch nicht zu schade, abends die Küche zu putzen.

chefs!: Ärgert es Sie, wenn Sie mit Zweifeln an Ihrer Doppelrolle als Fulltime-Köchin und Mutter konfrontiert werden?
Müller: Ein Mann nie wird gefragt, wie er Job und Familie unter einen Hut bringt. Warum stehen wir Frauen immer im Kreuzfeuer? Das nervt einfach! Als Mutter muss man sich immer rechtfertigen. Ja, ich habe zwei kleine Kinder. Ja, ich bin als Köchin im Fernsehen und mache Podcasts. Warum auch nicht? Mein Mann unterstützt mich, weil er es will, und meine Kinder waren immer unkompliziert. Ich konnte sie schon früh auch mal mit zur Arbeit nehmen oder zu einem Fernsehdreh. Sie fanden das toll, und alle drumherum haben sich gefreut.

chefs!: Wie gehen Sie generell mit Gegenwind und Niederlagen um? Fällt es Ihnen leicht, immer kraftvoll und positiv zu bleiben?
Müller: Meine Eltern haben mir eine gute Portion Selbstbewusstsein mitgegeben und den Mut, Dinge auszuprobieren, auch wenn sie scheitern könnten. Ich kann auf den Rückhalt in meiner Familie zählen. Wenn etwas nicht wie vorgesehen klappt, frage ich mich: Habe ich es gut gemacht oder nicht? Ich zweifle und reflektiere sehr viel, spreche auch oft mit meinem Ausbilder Jörg Richter, der für mich immer noch ein Freund und Mentor ist. Wenn ich dann zum Ergebnis komme, dass ich mein Bestes getan habe, lasse ich los und gehe weiter. Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und nach vorne zu schauen. Alles im Leben ist für etwas gut, auch Niederlagen. Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.

chefs!: Was haben Sie nach dem Aus in den Weyberhöfen nun beruflich vor?
Müller: Gegenwärtig habe ich viele TV-Drehs und den Podcast, ich bin gut beschäftigt. Langweilig wird mir garantiert nicht. Angebote gibt es zum Glück genug. Längerfristig hätte ich wirklich gern etwas Eigenes. Vielleicht eine Kochschule, vielleicht ein eigenes Restaurant. Die Zeit wird das Richtige bringen, da bin ich mir sicher.

Interview: Cornelia Liederbach
Fotos: Tobias Härtle